Beim India Board-Meeting am Donnerstag, 20. Juli 2023 machten die Beiträge deutlich, dass in der deutsch-indischen Wirtschaftskooperation großes Potenzial steckt. Erstmalig seit der Corona-bedingten Pause kamen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wieder persönlich zusammen.
Oberbürgermeister Dr. Frank Mentrup nahm in seinem Beitrag den Faden des aktuellen politischen Fokus auf den indischen Subkontinent auf. Die Veranstaltung fiel mit den Reisen von Wirtschafts- und Energieminister Robert Habeck sowie von Arbeitsminister Hubertus Heil nach Indien zusammen, das mit 1,4 Milliarden Einwohnern China mittlerweile überholt hat. Themen der Minister waren auch die, die das India Board derzeit bewegen: Verstärkung des wirtschaftlichen Austausches, Energie, Klimaschutz und Fachkräfte. Der Oberbürgermeister rief mit Blick auf die zurückliegenden Delegationsreisen und Projekte zwischen Karlsruhe und seinen indischen Partnerstädten ein neues Zeitalter der Zusammenarbeit auf. „Wir haben zehn Jahre daran gearbeitet, die Verbindungen aufzubauen. Jetzt können wir uns einbringen, weil wir schon da sind“, sagte er. Er nannte drei große Entwicklungslinien: Ausbildungs- und Studienplätze für junge Menschen aus Indien in Karlsruhe zu schaffen, gemeinsame Fertigungsprojekte von deutschen und indischen Firmen in Indien – eine große Chance! – sowie die Entwicklung von marktreifen Produkten für den indischen Markt mit seiner wachsenden Mittelschicht.
Der Oberbürgermeister wies auf die erfreuliche Tatsache hin, dass der Anteil indischer Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Veranstaltung hoch sei – ein positives Zeichen für das wechselseitige Interesse am India Board Karlsruhe. Zu den Teilnehmenden gehörte auch Dr. Suyash Chavan, indischer Konsul in München, der das India Board wohlwollend begleitet.
Indien setzt auf grünen Wasserstoff
Iris Becker, langjährige Repräsentantin von Karlsruhe im indischen Pune sowie des Landes Baden-Württemberg im Bundesstaat Maharashtra, dessen Hauptstadt Pune ist, ging in ihrem Beitrag auf die hohe Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung und Digitalisierung in Indien ein. „Und entgegen den gängigen Vorurteilen ist es auch nicht schwierig, in Indien unternehmerisch tätig zu werden“, betonte Iris Becker. Eines von Indiens wirtschaftlichen Zukunftsthemen ist „Green Hydrogen“ – grüner Wasserstoff. „Da ist Drive dahinter. Indien will die gesamte Wertschöpfungskette rund um diese Energieform aufbauen und die Welt beliefern“, betonte die Indienexpertin.
Von indischer Seite ist das Interesse daran, junge Menschen im Ausland ausbilden zu lassen, so hoch wie in den westlichen Ländern, die auf der Suche nach Fachkräften sind. Das decke sowohl IT und Ingenieursstudien ab als auch Ausbildungsberufe im Handwerk und in der Pflege. „Indien will das Niveau der Ausbildung für junge Menschen erhöhen“, führte Becker aus. Das, ergänzte sie, sei eine Chance auch für Deutschland. Mit seiner jungen Bevölkerung biete Indien ein einzigartiges Potenzial, besonders im Bereich Fachkräfte, sagte auch Marc Sesemann, Vorstand der Sparkasse Karlsruhe, dessen Unternehmen zu den Gründungsmitgliedern des India Board gehört und in dessen Räumen die von der Wirtschaftsförderung Karlsruhe organisierte Veranstaltung stattfand.
Mit positiver Grundhaltung in gemeinsame Wirtschaftsbeziehungen gehen
Im Gespräch mit Ralf Eichhorn, bei der Wirtschaftsförderung Karlsruhe verantwortlich unter anderem für Internationales, sprachen seine vier Gesprächspartner über ihre Erfahrungen in den Wirtschaftsbeziehungen zwischen Karlsruhe und indischen Partnern: Tasvvar Ali, Leiter des abpro-Büros in Karlsruhe, sieht die 1,5 Jahre seiner Tätigkeit als Repräsentant indischer Mittelständler in der Fächerstadt positiv. Er ermutigte Mittelständler auch aus Karlsruhe, sich für Indien als Produktions- oder Kooperationsstandort einzulassen.
Dr. Gottfried Greschner, Gründer und Geschäftsführer der init S.E. mit Sitz in Karlsruhe, berichtete von seinen guten Erfahrungen mit indischen IT-Fachkräften, die in Dubai für init tätig seien, und das schon seit zehn Jahren. Florian Marthaler von Impac Labs GmbH würdigte die grundsätzlich positive Haltung indischer Partner – man werde mit offenen Armen empfangen. Wenn man das Durchorganisierte der deutschen Geschäftspartner und die Improvisationsfähigkeit der indischen Partner miteinander verbinde, sei gemeinsamer Erfolg möglich. Eine Herausforderung sei es, die richtigen Ansprechpartner zu finden und gemeinsame Interessen zu identifizieren.
Eine Haltung, die Paresh Patel von der Beratungsfirma Dr. Wamser + Batra GmbH teilte: Mittelständische Unternehmen seien in beiden Kulturkreisen familiär geführt, doch die Unternehmenskulturen unterschieden sich sehr. Er griff den Aspekt der Schnelligkeit auf, der zuvor auch bereits angesprochen worden war. Karlsruhe stehe in Indien in Konkurrenz zu vielen anderen Wirtschaftsregionen, die ihre Chancen in diesem attraktiven Markt, der immer mehr High-end-Produkte nachfragen werde, verwirklichen wollen.
Ideale Investmentbedingungen in der Tourismusdestination Goa
Weitere Referenten stellten auf Basis ihrer interkulturellen Kompetenzen verschiedene Aspekte gewinnbringender Zusammenarbeit zwischen Indien und Deutschland dar. Sonjoy Chaudhury und Paresh Patel von Dr. Wamser + Batra GmbH erläuterten die Unterschiede in der Personalgewinnung und -betreuung. Sie gaben Denkanstöße zu den Fragen, die sich viele Unternehmerinnen und Unternehmer derzeit stellen: Ist es zielführender, indische Fachkräfte in Deutschland zu beschäftigen oder ein Team indischer Fachkräfte in Indien aufzubauen? Der Moment für Investitionen sei gut wie nie, führte Gavin Dias von der Goa Tourism Development Corporation aus. Der kleinste indische Bundesstaat mit gleich zwei Flughäfen schaffe die Rahmenbedingungen für den planvollen Ausbau des Tourismus und die Erschließung neuer touristischer Modelle. Sanjay També schließlich ließ die Teilnehmer*innen teilhaben an seinen Erfahrungen mit Yoga als einem Modell der Gesunderhaltung, das auch im Wirtschaftsleben seinen Platz habe.