Die Tür ist geöffnet. Karlsruhe bereitet eine Städtepartnerschaft mit der ukrainischen Stadt Winnyzja vor. Dies hat der Gemeinderat am Dienstag auf seiner jüngsten Sitzung einstimmig beschlossen. Die Fraktionen machten deutlich: Gerade jetzt, mitten im russischen Angriffskrieg, soll eine enge, nachhaltige Zusammenarbeit zweier Städte beginnen, die sich erstaunlich ähnlich sind.
OB Mentrup dankt für klares Signal
Oberbürgermeister Dr. Frank Mentrup dankte den Gemeinderatsmitgliedern für das klare Signal. „Es geht darum, kurzfristig, jetzt im Kriegszustand zu helfen und langfristig Europa zu stärken.“ Was wie ein Widerspruch wirkt, beeindruckte Mentrup bereits am Vortag tief. „Die Gleichzeitigkeit, Bombenangriffe auszuhalten und die Zukunft zu planen, verdient große Anerkennung“, sagte er nach einem ausführlichen Gespräch. Andriiij Ocheretnyij, Stellvertretender Bürgermeister von Winnyzja, war Gast des OB und machte deutlich: Winnyzja ist eine entschlossene, moderne und erfolgreiche Stadt mitten in der Ukraine, die durch den Angriffskrieg erschüttert, aber nicht gebremst wurde.
Winnyzja hat 41.000 Geflüchtete aufgenommen
Am 14. Juli zerstörten russische Raketen Kindergärten, eine Grundschule, ein Museum, ein Krankenhaus, das Standesamt und viele Wohn- und Firmengebäude. Der Angriff forderte 26 Todesopfer, darunter drei Kinder, und 202 Verletzte. 41.000 Geflüchtete hat die Stadt aufgenommen. Vor dem Hintergrund der Kriegsfolgen zeigte Ocheretnyij auf, an welcher Zukunft Winnyzja trotz der Zerstörungen arbeitet. Ein Beispiel: So wie in Karlsruhe mit der Kombilösung der Grundstein für ein neues Karlsruhe gelegt wurde und die Kaiserstraße sich nun neu entwickeln kann, so möchte die ukrainische Partnerstadt in spe mit der Winnyzja Mile „einen neuen Standard für urbanen Raum“ setzen. Die Straßenbahn spielt auch dabei eine zentrale Rolle.
Kernthemen der beiden Städte ähneln sich
Es gibt einige Kernthemen, die Winnyzja und Karlsruhe einander erstaunlich ähnlich machen: Größtes Interesse an einem starken ÖPNV, Ausbau des Radwegenetzes, Fokus auf Forschung, Entwicklung und Startups, Stärke in IT, Mobilität und viele Kunst- und Kultureinrichtungen mit Schlosslichtspielen in Karlsruhe und den größten europäischen Lichtprojektionen auf Wasserspiele zu Musik in Winnyzja. Und es sind zugleich politische Leitthemen, die wie bereits abgesprochen wirken: Wie lebt man in einer Stadt in Europa gut, gesund und sicher, in einer Zeit internationaler Spannungen, des Kriegs und des Klimawandels?
Gemeinsame Projekte finden
„Nun geht es darum, gemeinsame Projekte zu finden, die auch ohne Politik funktionieren. Damit hat Karlsruhe bei seinen Städtepartnerschaften sehr gute Erfahrungen gemacht“, betonte Mentrup. Und Ocheretnyij fügte hinzu: „Wir können viel von Karlsruhe lernen und hoffen, dass sich Karlsruhe auch etwas von uns abschauen kann. Wir haben eine Gemeinsamkeit: Im Mittelpunkt steht der Mensch.“
Es ist eine pulsierende, vom Krieg getroffene Stadt, die der Karlsruher Gemeinderat jetzt direkt und als künftige Partnerstadt unterstützen möchte, „als klares Zeichen für Solidarität und gegen Kriegsverbrechen“ (Jorinda Fahringer, GRÜNE), „als Zeichen für die Menschen aus der Ukraine, die in ihrem Land und auch hier bei uns leben“ (Detlef Hofmann, CDU), „als Beitrag für Frieden in Europa“ (Michael Zeh, SPD). „Jetzt nicht abwarten, sondern aktiv auf Winnyzja zugehen“, forderte Lüppo Cramer (KAL/Die Partei).