Einfluss seit 1725
Fast 300 Jahre hat die Familie Schilling von Canstatt die Geschicke in Hohenwettersbach zuerst bestimmt und geprägt und später maßgebend beeinflusst. Das liegt vor allem darin begründet, dass ab dem Jahr 1725 die gesamte Gemarkung, später der größte Teil der Gemarkung im Besitz der Familie war. Das ist auch heute noch der Fall.
Wer auf seinem Spaziergang am Rande der Gemarkung auf einen alten Grenzstein trifft, findet dort auf der Hohenwettersbacher Seite immer eine Kanne, das Wappen der Schilling von Canstatt. Die Familie selbst entstammt dem schwäbischen Uradel. Der älteste bekannte Wohnsitz der Familie ist die Altenburg in Cannstadt. Erstmals erwähnt wurde der Name im Jahr 1260. In der Familienchronik sind mehr als 300 Häupter aufgeführt. Viele davon waren hohe Offiziere oder dienten unter verschiedenen Fürsten in höchsten Ämtern. Aus der Familie gingen viele berühmte Persönlichkeiten hervor.
Ludwig Friedrich Schilling von Canstatt
Ludwig Friedrich Schilling von Canstatt hatte schon unter dem Oberbefehl von Markgraf Ludwig-Wilhelm, dem badischen Türkenlouis, bei Budapest gegen die Türken gekämpft. Er sollte 1689 im pfälzischer Erbfolgekrieg die badische Residenz Durlach als Generalmajor gegen die Franzosen verteidigen. Seine Offiziere und die Herren der Zivilverwaltung hielten die Lage für aussichtslos. Sie wollten die Stadt gegen seinen Willen mit der Bitte um Schonung an die Franzosen übergeben. So geschah es dann auch, nach einigem Hin und Her. Die Hoffnung erfüllte sich jedoch nicht. Alle mussten am nächsten Tag die Stadt verlassen. Sie konnten auf ihrem Weg nach Langensteinbach von den Höhen bei Hohenwettersbach zusehen, wie ihre Stadt und das wunderschöne Renaissanceschloss bis auf fünf Häuser niedergebrannt wurde. Schilling von Canstatt kam für drei Jahre in Gefangenschaft. Er musste sich danach wegen der Übergabe der Stadt vor Gericht verantworten, wobei er in allen Belangen freigesprochen wurde.
Wilhelm Friedrich Schilling von Canstatt
Wilhelm Friedrich, Sohn von Ludwig Friedrich Schilling von Canstatt, war schon in jungen Jahren im Dienst des Markgrafen und mit Markgraf Carl Wilhelm, dem späteren Stadtgründer, befreundet. Später wurde er Obervogt und Obermarschall. Der Markgraf gab ihm 1725 seine Tochter Caroline zur Frau. Diese war seit ihrem ersten Lebensjahr durch ein Kunkellehen im Besitz des Hofes und der Gemarkung Hohenwettersbach. Durch einen anlässlich der Hochzeit ausgestellten Ehepakt kam die Familie Schilling von Canstatt in den Besitz von Hohenwettersbach. Mit der Landwirtschaft hatte Wilhelm Friedrich sicher wenig zu tun, er war in Staatsgeschäften tätig. Gewohnt hat die Familie größtenteils im Haus seiner Frau Caroline, im heutigen Amthaus in Durlach. Eine kleine Säule auf dem Familiengrab der Schilling von Canstatt erinnert an den ersten dieses Namens in Hohenwettersbach. Er starb 1743 und wurde zunächst neben dem Markgrafen unter dem Altar der Karlsruher Konkordienkirche, heute Marktplatz, begraben. Sein Sohn Karl Friedrich schlug zunächst die Offizierslaufbahn ein und kämpfte unter anderem in Sachsen gegen Friedrich den Großen. Er war schwäbischer Kreishauptmann und badischer Kammerherr. Danach beschäftigte er sich mit seinem 1075 Morgen (etwa 415 Hektar) großen Gut. Von 1758 bis 1760 erbaute er das in Hohenwettersbach „Schloss“ genannte Herrenhaus. Er starb 1772 und fand hier, wie alle hiesigen Schilling von Canstatt, im Familiengrab seine letzte Ruhestätte.
Neue Generation mit gleichem Namen
Der Sohn hieß wie der Vater Karl Friedrich und war ebenfalls badischer Kammerherr, später auch Geheimrat. Er lebte und arbeitete größtenteils in Karlsruhe im großherzoglichen Dienst und war wohl ein etwas unruhiger Geist. Einmal wollte er das Hofgut verkaufen, was aber nicht zustande kam. Von ihm stammt die erste Geschlechtsbeschreibung der Schilling von Canstatt. Für den Hof Hohenwettersbach verfasste er ein Gesetzbuch, außerdem die Familienstatuten über die Stammgut-Verhältnisse. Er war wohl mehr Schriftsteller und hatte mit der Landwirtschaft wenig im Sinn.
Heinrich Schilling von Canstatt
Karl Friedrichs Sohn Heinrich, übernahm 1818 das Hofgut. Vorher hatte er 18-jährig am Befreiungskrieg gegen die Franzosen teilgenommen und wurde zum Hauptmann befördert. Im Jahr 1833 wurde das Hofgut zur Kolonie erklärt und ein Stabhalter bestellt. Die auf dem Hof lebenden 110 Familien waren damit heimatberechtigt. Hohenwettersbach hatte nun eine eigene Gemarkung, die aber zum allergrößten Teil dem Grundherrn gehörte. Von einer selbstständigen Gemeinde war man jedoch noch weit entfernt. In die Zeit von Heinrich Schilling von Canstatt fielen die unruhigen Revolutionsjahre 1848/49 und die erste badische Republik. In den unruhigen Zeiten hielt er sich im Ausland auf. Er starb 1856 nach einem Schlaganfall.
Wilhelm Friedrich Schilling von Canstatt
Im Jahr 1856 folgte auf Heinrich Schilling von Canstatt dessen Sohn Wilhelm Friedrich. Im Gegensatz zu seinem Vater blieb er auch während der Wirren der Revolutionsjahre in Hohenwettersbach und half seinem Onkel bei der Bewirtschaftung des Hofguts.
Die Not war groß in Hohenwettersbach. Der Hof konnte die zahlreich gewordene Bevölkerung nicht mehr ernähren und so kam es zu ständigem Streit mit den Gutsherren. In dieser Situation waren, teilweise unter Druck, 583 Menschen bereit, nach Amerika auszuwandern, 67 Personen wollte man umsiedeln. Wilhelm Friedrich sah ein, dass es so nicht weiter gehen konnte. Er bot an, zwei Fünftel der Kosten für die Überfahrt nach Amerika zu bezahlen. Die Stadt Durlach lehnte jedoch ab, ihren Anteil an den Kosten zu übernehmen. Darauf verweigerten auch die Agnaten der Familie Schilling von Canstatt ihre Zustimmung. So blieb es bei den katastrophalen Verhältnissen. Als Ausweg versuchte man, das Wachstum der Bevölkerung einzudämmen. Wer heiraten wollte, musste 25 Jahre alt sein, eine eigene Wohnung haben sowie 500 Gulden besitzen und einen sicheren Erwerb nachweisen. Wer aber hatte das schon? Die Folge waren wilde Ehen und mehr uneheliche Kinder.
Wilhelm Friedrich war bereit für die Gründung einer eigenständigen Gemeinde rund 300 Morgen Land zu verkaufen. Die Stadt Durlach sollte 200 Morgen abgeben, weigerte sich aber und wurde letztlich dazu gezwungen. Am 8. Juni 1861 kam es nach jahrzehntelangem Hin und Her zu einer Übereinkunft zwischen dem Grundherrn Wilhelm Friedrich und dem Stabhalter Kraut. Am 1. Oktober 1864 wurde Hohenwettersbach selbstständige Gemeinde. Durch Kauf von Grundstücken, meist über Kredit oder Anpachtung von Ackerflächen, konnte die Bevölkerung nun selbst für ihre Ernährung sorgen. Arbeit gab es auch in den zahlreichen Steinbrüchen und zunehmend in der Industrie. Viele Frauen arbeiteten in der Spinnerei in Ettlingen, die Männer bei Gritzner und anderen Betrieben in Durlach. Die Arbeit war demnach täglich mit einigen Stunden Fußmarsch verbunden.
Wilhelm Friedrich Schilling von Canstatt wird mit Recht „Vater der Gemeinde“ genannt, denn er war es, der dem Entstehen der Gemeinde zum Durchbruch verhalf. Spital- und Lindenstraße sowie die unmittelbare Umgebung zum Gutshof blieben als Hofgutgemarkung mit einem Stabhalter noch bis 1931 erhalten. Der letzte männliche Nachkomme der Familie war Viktor Schilling von Canstatt. Er hatte vier Töchter und hätte doch so gerne einen Sohn gehabt. Nach einem landwirtschaftlichen Studium in Hockenheim übernahm er 1888 das Hofgut, das er zugleich auf die Erfordernisse der Zeit ausrichtete. Als Rittmeister kämpfte er im Ersten Weltkrieg und wurde danach badischer Kammerherr. Hervorzuheben ist sein soziales Engagement zum Wohle der Gemeinde. In seiner Art war er eher bescheiden. Während und nach dem Krieg sah man ihn in Schaftstiefeln hinter seiner Kutsche hergehen, wenn er sein Büro in Durlach in der Badenerstraße besuchte. Gestorben ist er am 1. März 1958.
Ilona von Maffei
Bleibt als letzte der Familie Ilona von Maffei, geborene Schilling von Canstatt. Sie übernahm 1962 zusammen mit ihrem Mann, Hubert Ritter und Edler von Maffei, den Gutsbetrieb. Hubert von Maffei gelang es in kürzester Zeit, den landwirtschaftlichen Betrieb auf den modernsten Stand zu bringen. Es wurden alle Gebäude saniert und renoviert, was bis heute sichtbar ist. Ein neuer Maschinenpark ermöglichte eine rationelle Wirtschaftsweise. Herr von Maffei war begeisteter Landwirt und Weinbauer. Zeitweise standen in Hohenwettersbach über 40 Hektar Weinreben. Die Familie von Maffei hat durch Landabgabe sehr viel zur Weiterentwicklung der Gemeinde beigetragen. Sie hatte stets ein offenes Ohr für die Belange der Gemeinde und half mit Herz und Hand. Nach dem Tod des Herrn von Maffei führte Ilona von Maffei die Geschäfte des Gutsbetriebes allein weiter. Herr Stech, der Verfasser des Hohenwettersbacher Heimatbuchs, nennt sie treffend „Baronin mit Herz und Sinn“.
Zwischenzeitlich sind die Felder verpachtet. Der Gutsbetrieb wird aber wieder unter dem Namen „Schilling von Canstatt Erben“ geführt. So bleibt der verdienstvolle Name in Erinnerung.
Text von Robert Gültling