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Naturnahe Grünpflege

Deutschlandweit ist die Zahl der Insekten im Zeitraum zwischen 1989 und 2016 um drei Viertel zurückgegangen. Aufgrund der Verluste an naturbelassenen Lebensräumen im ländlichen Raum und Wald gewinnen naturnah gepflegte städtische Grünflächen immer mehr an Bedeutung.

Naturnahe Grünflächen fördern die biologische Vielfalt

Es werden drei Bilder von Insekten auf Pflanzen gezeigt.

Die städtischen Grünflächen bieten die Möglichkeit sich zu erholen, sich gesundheitlich zu stärken oder Naturerfahrungen zu sammeln. Stadtgrün erfüllt darüber hinaus vielfältige ökologische Funktionen wie Hochwasser- und Klimaschutz. Aufgrund der Verluste an naturbelassenen Lebensräumen im ländlichen Raum gewinnen naturnah gepflegte städtische Grünflächen immer mehr an Bedeutung. Sie werden von vielen Insekten, Kleinsäugern und Gefäßpflanzen als Ersatzlebensräume besiedelt. Auch die Wertschät­zung der Stadt­be­völ­ke­rung für Grün­flä­chen und der Wunsch einer natürlicheren Pflege und Überlassung der natürlichen Entwicklung ist spürbar hoch.

Wieviel der Grünflächen werden naturnah gemäht?

Das Gartenbauamt organisiert die Mäharbeiten für über 567 Hektar (ha) Grünflächen. Davon werden 145,4 Hektar (25 Prozent) nur noch ein- bis zweimal gemäht. Auf diesen Grünflächen bleiben Blühinseln oder Altgrasstreifen für die Insekten stehen. Bisher wurden extensive Blumenwiesen in öffentlichen Grün- und Parkanlagen und entlang der Straßen realisiert. Zum wirkungsvollen Schutz der Insekten gilt es jedoch auch liebgewonnene Schönheitsideale einer Grünanlage fallen zu lassen und der Wildheit der Natur Platz zu machen.

Die folgende Tabelle stellt die Anteile an extensiven Wiesen, wiesenähnlichen Grünflächen und Rasenflächen bezogen auf die unterschiedlichen Grünanlagen dar.

 

Gesamtfläche

Grünanlagen Hochbau

Freizeit- und Spielanlagen

Öffentliche Grün- und Parkanlagen

Straßen-begleitgrün

Sonstige Grünanlagen

Extensive Wiesen

145,4 ha

1,1 ha

2,3 ha

98,7 ha

41,9 ha

1,4 ha

Wiesenähnliche Grünflächen

293,5 ha

12,8 ha

7,6 ha

75,0 ha

194,9 ha

3,2 ha

Rasenflächen

137,4 ha

24,0 ha

39,4 ha

42,7 ha

29,6 ha

1,7 ha

Vermehrt plant das Gartenbauamt naturbelassene Wiesenbereiche auf Spielplätzen, Freizeitanlagen und Siedlungsflächen. Kinder sollen selbstverständlich die Natur vor der Tür erleben.

In der Grünflächenpflege unterscheiden wir folgende Pflegekategorien:

Die extensive Wiesenmahd ist eine naturschonende Pflegeform. Die Anzahl der Schnitte, die Schnittzeitpunkte, die Schnitthöhe und die Wahl der Maschinen orientieren sich nach ökologischen Faktoren. Die Wiesen werden in der Regel zweimal gemäht. Erster Schnitt erfolgt Ende Juni bis Mitte Juli. Der zweite Schnitt erfolgt falls erforderlich im Spätherbst zwischen September und Oktober. Idealerweise werden solche Grünflächen mit leichten Maschinen gemäht und das Grüngut zur Abmagerung der Böden aufgenommen. 

 

Die Mulchmahd ist die wirtschaftlichste Pflegeform, jedoch ökologisch bedenklich. Die Grünfläche wird dreimal im Jahr gemäht. Das Grüngut wird zerkleinert und zerquetscht, damit es als Mulch liegen bleiben kann. Dieser Mulch wirkt wie Dünger und fördert den Graswuchs. Lichtkeimende Gefäßpflanzen können sich damit gegenüber den Gräsern nicht behaupten. Beim Einsatz von Schlegelmulchgeräten ist die Tötungsrate der Insekten überdurchschnittlich hoch.

 

Bei einer Rasenpflege wird die Grünfläche fünf- bis zehnmal im Jahr mit einem Aufsitz-, Groß- oder Kleinflächenrasenmäher gemäht. Das Grüngut bleibt auf der Wiese liegen. Die häufige Pflege und die Düngung über das Grüngut begünstigen die Gräserarten, die am Boden eine dichte Grasnarbe bilden. Lichtkeimende Gefäßpflanzen werden geschnitten bevor sie Samen bilden und sich vermehren können. Damit können sie sich nicht behaupten und werden verdrängt.

Das Diagramm zeigt die Verteilung der Art der Grünflächenpflege auf die einzelnen Grünflächhen.

Insektensterben auch in Karlsruhe

In einer Vergleichsstudie der Jahre 2002 und 2019 wiesen die Biologen Erwin und Klaus Rennwald das Insektensterben auch in der Stadt Karlsruhe nach. Der Artenrückgang (Anzahl der Arten) war in der Stadt Karlsruhe im Vergleich zum Bundesdurchschnitt deutlich geringer, jedoch sind die Verluste der Anzahl der Individuen vor allem auch der nicht besonders gefährdeten Arten deutlich sichtbar. Abhilfe gegen das Insektensterben können wir nur durch eine konsequente Ablösung der Intensivpflege durch eine naturnahe Grünflächenpflege erzielen.

Die Stadt Karlsruhe hat bereits viele wertvolle natur­na­he ­Be­rei­che an der Alb und über 103 Hektar arten­rei­che Wie­sen­flä­chen, ein Erfolg der jahrzehn­te­lan­gen, exten­si­ven Pflege durch das Garten­bau­amt der Stadt Karlsruhe.

Heute kann ohne weiteres ausgesagt werden, dass in der Stadt Karlsruhe pro m² Wiesen­flä­che deutlich mehr Insekten leben, als im ländli­chen Um­land. So konnten im Jahr 2002 die Biologen Erwin und Klaus Rennwald nicht we­ni­ger als 130 verschie­dene Wildbie­nen­ar­ten auf den Karls­ru­her Wie­sen nachweisen.

Das Bild zeigt eine Pelzbiene auf einer Taubnessel.
Das Bild zeigt die Gehörten Mauerbiene in einem Erdloch.
Das Bild zeigt eine Erdhummel und eine Honigbiene auf einer Blüte.

Das Resultat belegt, dass sich die fünfzigjährige extensive Pflege der Grünflächen der Stadt Karlsruhe auszahlt. Doch weiterhin ist für das Gartenbaumamt viel zu tun, denn das Insektensterben schreitet auch in Karlsruhe nachweislich voran.

Im Jahr 2019 hat das Gartenbauamt der Stadt Karlsruhe nach dem gleichen Verfahren wie in 2002 die Insekten gezählt, um die Frage „Wie entwickeln sich die Insektenzahlen in Karlsruhe?“ beantworten zu können.

Im Ergebnis konnten im Jahr 2019 auf den Karlsruhe Wiesen zumindest bei den Tagfaltern, Schwebfliegen und Heuschrecken mehr Rote Liste Arten der Kategorien 1-3 (gefährdete oder vom Aussterben bedroht) gesichtet werden. Die Zahlen für die nicht besonders gefährdeten Arten sind jedoch eindeutig zurückgegangen. Augenfällig ist auch der Rückgang der Biomasse der Insekten und bei den Individuenzahlen insbesondere bei den Heuschrecken und Grillen. Diese Entwicklung ist auf die Sommertrockenheit 2019 zurückzuführen. Basierend auf den vorliegenden Daten kann sicher ausgesagt werden, dass die extensive Grünflächenpflege der Stadt Karlsruhe das Artensterben verzögert. Der deutschlandweite Rückgang der Biomasse von 75% kann mit den bisherigen Maßnahmen aber auch in der Stadt Karlsruhe nicht aufgehalten werden. Dafür ist der Anteil der naturnah gepflegten Grünflächen auch in Karlsruhe viel zu gering.

Übersicht Entwicklung Artenzahlen

  Artenzahl 2002/2019 Artenzahl gesamt Rote Liste Kat. 1-3 Rote Liste Kat. 1-3 Individuenzahl Tendenz
Tagfalter 26/27 (+) + - -
Tagaktive Nachtfalter 31/36 + - - -
Wildbienen 130/126 - - - -
Schwebfliegen 47/23 -- + + -
Heuschrecken 19/25 + + - --

(+) = leicht steigend, + = steigend, - = rückläufig, -- = stark rückläufig

Das Bild zeigt einen Schmetterling der Art Würfel-Dickkopffalter.
Das Bild zeigt einen Schmetterling der Art Braunkolbiger Brauner Dickkopffalter.
Das Bild zeigt eine Bunte Hummel.
Das Bild zeigt eine Heuschrecke der Art Tettigoniidae
Das Bild zeigt einen Schmetterling der Hauhechel-Bläuling auf einer Blume.
Das Bild zeigt einen Schmetterling der Art Kleiner Feuerfalter.
Das Bild zeigt eine Schwebfliege auf einer Blütendolde sitzend.

Faktoren einer insektenfreundlichen Mahd – weniger aber vielfältiger

Viele verschiedene Faktoren spielen eine wichtige Rolle, damit eine bisher intensiv gepflegte Wiese alleine durch die Pflege wieder zur Artenvielfalt aufblüht. Die wichtigste Grundvoraussetzung ist das Vorhandensein von Samen lichtkeimender Pflanzen wie Wildkräuter und Gefäßpflanzen in der Erde.

Mit einem ersten Schnitt zwischen Mitte Juni bis Mitte Juli werden die wuchskräftigen Obergräser zurückgedrängt und die konkurrenzschwächeren Gefäßpflanzen und Kräuter durch den erhöhten Lichteinfall begünstigt. Da viele Arten zu diesem Zeitpunkt ihre Samenreife noch nicht abgeschlossen haben, sollte der zweite Schnitt nicht vor Mitte September erfolgen. Auf sehr nährstoffarmen und wuchsschwachen Standorten kann auch eine einmalige sehr späte Mahd im Oktober ausreichen. Entscheidend ist in allen Fällen, dass das Mähgut nach der Abtrocknung entfernt wird, um zu vermeiden, dass die Fläche verfilzt, vergrast oder sich Nährstoffe anreichern. Die zweischürige Mahd kommt nicht nur den Gefäßpflanzen zugute, sondern ist auch für die meisten Tiere die schonendste Art der Pflege.

Zum Schutz von Insekten, Käfern und weiteren Kleintieren dürfen Wiesen nicht vollständig gemäht werden. Deshalb hat das Gartenbauamt die Insel- und Streifenmahd entwickelt. Sowohl bei der Insel- als auch Streifenmahd bleiben über das gesamte Jahr hinweg 50% der Wiese als blühende Inseln oder Streifen mit Langgras stehen. In den ungemähten Bereichen finden die Insekten auch weiterhin Nahrung und Schutz vor Fressfeinden und der maschinellen Bearbeitung. Viele Insekten und Kleinsttiere wie Spinnen- oder Kerbtiere nutzen die Altgrasbestände als Fortpflanzungsstätte und Winterquartier. Hier verbringen die Tiere die Wintermonate meist in Form eines Eis, Raupe, Puppe oder seltener als ausgewachsenes Kleinsttier.

Das Bild zeigt  die Wiese am Edeltrudtunnel mit einer Streifenmahd.
Das Bild zeigt die Inselmahd an der Stößerstraße. Hier wird beim eine kleine Fläche, also eine Insel für die Insekten nicht gemähd.

Zu einer naturnahen Mahd gehört auch der Einsatz der richtigen Maschinen. Die Mahd wird deshalb vermehrt mit handge­führ­ten ­Bal­ken­mä­hern ausgeführt. Die Balken­mes­ser-Mähtechnik verzeichnet im Ver­gleich zu anderen Methoden eine deutlich gerin­ge­re Tö­tungs­rate der Insekten. Im städti­schen Raum kann die Grün­gut­auf­nahme oft nur mit Handrechen oder Kleinmaschinen wie Twister, Rake, Bandrechen oder einer Kleinballenpresse durch­ge­führt werden. Diese Arbeit ist sehr zeitauf­wen­dig und kostenintensiv, insbe­son­dere wenn das Grüngut vor der Kompostierung von Müll gereinigt werden muss.

Das Bild zeigt Janik Angele der Firma Merkle bei der Arbeit mit dem Fingerbalkenmäher.
Das Bild zeigt einen Auszubildenden an einer Alpin Rake.

Bis heute existieren keine Patent­re­zepte, um die Erhöhung der Biodi­ver­si­tät auf städti­schen Wiesen­flä­chen mit Erfolg zu er­zie­len. Das Garten­bau­amt der Stadt Karlsruhe wird deshalb die na­tur­nahe Mahd durch eigene Beobach­tun­gen weiter­ent­wi­ckeln und im Austausch mit anderen Fachleuten bleiben, um von deren Erfol­gen zu lernen.

Früh übt sich – Azubis der Stadt beim naturnahen Mähen

Fünf Auszubildende hatte Organisatorin Angelika Elsener vom Gartenbauamt zum Praxisseminar "Naturnahe Mahd" eingeladen. Für Daniel Kalume, Patrick Holzwart, Julian Pfadt, Nico Caleandru und Jonathan Auch stand an diesem Morgen in der Dienstelle in Rüppurr die Theorie im Vordergrund. Dabei ging es um die Grundlagen für das Mähen, mit dem gleichzeitigen Erhalten der Artenvielfalt.

Das Bild zeigt den Auszubildenden Daniel Kalume am Fingerbalkenmäher beim Praxisseminar "Naturnahe Mahd".

Am Nachmittag arbeiteten die fünf angehenden Landschaftsgärtner auf einer Wiese beim Rüppurrer Schloss, um den Umgang mit Portalbalkenmäher, Alpin-Rake sowie Kleinballenpresse zu lernen. „Die Geräte kommen aus der Landwirtschaft der Berge. Dort brauchen die Bauern kleinere, kompakte Geräte. Das ist für das naturnahe Mähen in der Stadt genau richtig", sagt Elsener.

„Mir gefällt die Fortbildung gut, weil das hier gut für die Zukunft ist. So können wir optimal Insekten schützen", freut sich Nico Caleandru. Bei dieser Art zu Mähen, ist der Schnittansatz höher. So können trotz Rasenschnitt kleine Tiere wie etwa Insekten, Mäuse oder Maulwürfe überleben. „Beim traditionellen Mähen und dem anschließenden Mulchen wird alles kurz und klein gemacht. So bleiben etwa Heuschrecken oder Blindschleichen auf der Strecke", so Elsener.

Video des Praxisseminars „Naturnahe Mahd"

Das Video zeigt einen Bericht über das Praxisseminar Naturnahe Mahd.
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Alle Auszubildenden waren mit Eifer dabei und zeigten sich interessiert. "Ich finde es gut, etwas für die Artenvielfalt zu tun. Außerdem hat es mir gefallen, den Umgang mit neuen Geräten zu lernen", so Patrick Holzwart. Daran knüpft sein Kollege Daniel Kalume an: "Die Maschinen haben mich interessiert. Es war viel einfacher mit ihnen umzugehen, als ich dachte. Und sie sind gar nicht so laut, wie ich befürchtet hatte." Jonathan Auch betont den Naturschutz. "In der Gesellschaft wird das Thema Natur immer wichtiger. Es geht in dem Kurs darum, wie wir sie erhalten und pflegen."

Nach dem Mähen soll das geschnittene Gras zuerst trocknen. Anschließend kommt die Alpin-Rake zum Einsatz, die das Material zusammenschiebt. Beim letzten Arbeitsgang nimmt die Presse den Schnitt auf und presst ihn zu kompakten Ballen. "Ich habe viel gelernt, was ich so noch nicht kannte. Das ging mir so mit den Insekten, aber auch mit den Maschinen", war auch Julian Pfadt von dem Seminar überzeugt.

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