Seit April ist Winnyzja in der Zentral-Ukraine, die Großstadt südwestlich von Kiew gelegen, sechste offizielle Partnerstadt von Karlsruhe. Mitte des Monats Mai war eine achtköpfige Delegation aus Karlsruhe in die rund 1750 Kilometer entfernte Stadt gereist – eine Reise in ein Kriegsgebiet, die nicht selbstverständlich war. Der Gemeinderat der Stadt Karlsruhe hatte im Vorfeld, in nicht-öffentlicher Sitzung, einstimmig seine Zustimmung dazu gegeben.
Für Oberbürgermeister Dr. Frank Mentrup waren die zwei Tage Aufenthalt in der Ukraine „die berührendste, wichtigste Delegationsreise seit Beginn meiner zehn Jahre Amtszeit“, wie er nach der Rückkehr in einem Pressegespräch bekundete. Für Mentrup war die Fahrt auch „eine Reise der Solidarität“. Er fand es zudem beeindruckend, wie man als Besucher „eine tagsüber fröhliche, aufgeschlossene Stadtgesellschaft erleben konnte, die die Sonne und das Leben genossen – trotz der alltäglich spürbaren Kriegssituation.“
Zwischen Lebenslust und Luftalarm
Die achtköpfige Delegation – davon fünf Stadträte verschiedener Fraktionen – war über Moldawien angereist, und am Abend des Feiertags Christi Himmelfahrt mit einem Kleinbus im Stadtzentrum von Winnyzja angekommen. Gleich in der ersten Nacht, gegen 2:15 Uhr morgens, mussten die Gäste einen mehrstündigen Luftalarm miterleben – und bis in die Frühe in einem Schutzraum im Keller ausharren. Für Stadtrat Benjamin Bauer (Grüne), eines der Delegationsmitglieder, ist damit die Allgegenwärtigkeit des Krieges sichtbar geworden und was das für die Menschen vor Ort bedeute.
Die zwei Tage Aufenthalt waren voll gepackt mit Programm, gleich am Vormittag des ersten Besuchstages waren die Delegationsmitglieder Gäste einer außerordentlichen Sitzung des 45-köpfigen Stadtrats von Winnyzja, der (nochmals) formal seine Zustimmung zur Städtepartnerschaft gab. Danach wurde die Partnerschaftsvereinbarung – wie zuvor im April in Karlsruhe – durch OB Mentrup und seinen Amtskollegen in Winnyzja, Serhii Morhunov, erneut unterzeichnet.
Oberbürgermeister Morhunov sprach vor dem Stadtrat von „der gemeinsamen Vision, freundschaftliche Beziehungen nicht nur zwischen den Städten, sondern auch zwischen den Völkern, den ukrainischen und den deutschen, aufzubauen.“ Im Rahmen der Zusammenarbeit wolle man auch „in den Bereichen Städtebau, Informationstechnologie, alternative Energiequellen, Bildung, Kultur und Gesundheit Partnerschaften aufbauen.“
Gedenken für die Kriegsopfer Winnyzjas
Nach dem formalen Akt im Rathaus der Stadt Winnyzja schritt die Delegation zu einer Zeremonie mit Blumenniederlegung am Denkmal für die gefallenen Soldaten. Weitere Programmpunkte waren der Besuch der Staatlichen Pädagogischen Universität, des städtischen klinischen Krankenhauses, am Ort eines verheerenden Raketeneischlags im Juli vergangenen Jahres mit 29 Toten, am Holocaust-Mahnmal – sowie bei der Feuerwehrkommandantur, zur Übergabe des am 16. Mai in Karlsruhe gestarteten Feuerwehrautos.
Oberbürgermeister Mentrup zeigte sich beim Pressegespräch nach Rückkehr dankbar, dass die Gastgeber in Winnyzja kurze, sehr intensive Einblicke in die eigene Befindlichkeit gewähren konnten. Viele Gespräche seien sehr ergreifend und sehr persönlich gewesen. Weiter berichtete er von den verschiedenen Eindrücken, etwa, dass man am Mahnmal für die Gefallenen „mehr als 400 Namen von den seit Kriegsbeginn an der Front getöteten Männern und Frauen der Stadt“ wahrnehme. Für den Hauptamtsleiter der Stadt Karlsruhe, Martin Wiederkehr, waren die Erlebnisse in Winnyzja mit nahezu 30 Jahren Erfahrung mit Delegationsreisen, „ganz einzigartig“. Beeindruckt zeigt er sich vom Humor der Menschen in Winnyzja – inmitten der Kriegssituation.
