Karlsruhe: Willkommen
Stadt der obersten Gerichte: Karlsruhe ist Wiege der Demokratie und Residenz des Rechts
In den Begriffen "Wiege der Demokratie" und
"Residenz des Rechts" spiegeln sich Entwicklungen
wider, die mit Karlsruhe sehr eng verbunden sind. Denn aus
der Fächerstadt und dem Großherzogtum Baden kamen
entscheidende Impulse zur politischen Kultur und zum
Parlamentarismus bereits im 19. Jahrhundert, und
seit über 50 Jahren steht Karlsruhe als Synonym für den
modernen Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland
schlechthin.
Ein sichtbares Zeichen für den historischen Beitrag des
alten Landes Baden ist das 1993 eröffnete Neue Ständehaus,
das sich auf geschichtsträchtigem Boden im Herzen der
Stadt erhebt. Der Neubau wurde von der Stadt Karlsruhe an
jener Stätte errichtet, an der 125 Jahre lang das erste
Parlamentsgebäude auf deutschem Boden stand. Es war
das alte, von 1820 bis 1822 erbaute und im Zweiten
Weltkrieg zerstörte Ständehaus, die Heimat und Wirkstätte
des Badischen Landtags. Dieser bestand aus zwei Kammern,
von denen die zweite den Charakter eines modernen
Repräsentativorgans hatte. Ihr gehörten 63
Abgeordnete der verschiedenen Landesteile an.
Während die zweite Kammer das moderne
Repräsentationsprinzip verkörperte, war die ihr
gleichberechtigte erste Kammer durch altständische
Elemente geprägt. Ohne den Konsens beider Kammern konnten
Gesetze nicht zustande kommen. Der Badische Landtag
schrieb im 19. Jahrhundert Parlamentsgeschichte
und setzte Maßstäbe für die Entwicklung der
Demokratie.
Die badischen Volksvertreter haben in Karlsruhe eine
parlamentarische Tradition begründet, deren Signale
weit über den Südwesten hinaus im damaligen Deutschen Bund
registriert wurden. Insbesondere die zweite Kammer
des Badischen Landtags wurde so ein Vorbild für das erste
gesamtdeutsche Parlament, die
Nationalversammlung 1848/49 in der Frankfurter
Paulskirche. Aus gutem Grund wird also das Karlsruher
Ständehaus als "Wiege der deutschen Demokratie"
bezeichnet.
Badische Verfassung hatte
Modellcharakter
Grundlage für die demokratische Entwicklung in Baden
war die Badische Verfassung, die Finanzrat Karl Friedrich
Nebenius dem zögerlichen Großherzog Karl abgerungen
hatte und die am 29. August 1818 im Regierungsblatt
publiziert und damit in Kraft gesetzt wurde. Sie hatte
Modellcharakter und galt als
Ausnahmeerscheinung. Es war zwar nicht das erste,
aber das anerkannt fortschrittlichste und
freiheitlichste Grundgesetz aller 41
Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes, der 1815 auf dem
Wiener Kongress gegründet worden war.
Das im Wesentlichen von Nebenius erarbeitete Werk
ersetzte die absolute durch die konstitutionelle
Monarchie und schuf die Normen für eine liberale
Gesellschaftsordnung, die den Staatsbürgern des
Großherzogtums Baden weitgehende Grundrechte
einräumte. Dieser badische Grundrechtskatalog
umfasste als wichtigste Errungenschaften: Die
Gleichheit vor dem Gesetz, die durch die Garantie der
Unabhängigkeit der Gerichte und den Schutz vor
willkürlicher Verhaftung flankiert wurde; die Aufhebung
der aus der Leibeigenschaft resultierenden
Grundlasten und Dienstpflichten; die
unterschiedslose Steuerpflicht; die Abschaffung von
Privilegien bei der Besetzung ziviler und
militärischer Staatsämter; die Freiheit des Eigentums;
die Gewissensfreiheit und die Freiheit der
Religionsausübung.
Die Verkündung der Badischen Verfassung am 22. August 1818
gilt als Geburtsstunde des modernen
Verfassungsstaates. Sichtbares Monument dafür ist
bis heute der Obelisk aus rotem Sandstein am
Rondellplatz, die sogenannte Verfassungssäule. Sie
hat an einem zentralen Schnittpunkt der Mittelachse
des Karlsruher Stadtfächers, die als "Via
triumphalis" vom Schloss aus nach Süden führt, einen
markanten Platz gefunden.
Rund hundert Jahre nach der Badischen Revolution von
1848/49, bei der die badischen Radikalen den
bestehenden Konstitutionalismus zu Gunsten einer
republikanischen Ordnung beseitigen wollten, wurde
mit der Ansiedlung der Hohen Gerichte der noch jungen
Bundesrepublik Karlsruhes Tradition als "Residenz des
Rechts" begründet. Im Jahr 1950 nahm der
Bundesgerichtshof (BGH) als höchste Instanz für Zivil-
und Strafsachen seine Arbeit im ehemaligen
Erbgroßherzoglichen Palais auf. Die
Bundesanwaltschaft mit dem Generalbundesanwalt
an der Spitze hatte dort zunächst auch ihren Sitz, bezog
jedoch 1998 aus Platzgründen einen modernen Neubau an der
Brauerstraße. Der Bundesgerichtshof selbst hat
mehrere Erweiterungsbauten erhalten. Darunter das
sogenannte "Nordgebäude", in dem seit 2003 unter anderem
sechs Zivilsenate sowie auf einer Fläche von 4.700
Quadratmetern die größte Gerichtsbibliothek
Deutschlands untergebracht sind.
Hohe Gerichte schufen eine weltweit angesehene
Rechtskultur
Im September 1951 wurde Karlsruhe "vorläufiger" Sitz des
neu geschaffenen Bundesverfassungsgerichts,
das zunächst im Prinz-Max-Palais untergebracht war.
Später siedelte es in einen von 1964 bis 1969
errichteten Neubau auf dem Platz des ehemaligen
Hoftheaters auf der westlichen Seite des Schlosses über.
Seit 2007 wird dieser harmonisch durch einen
Erweiterungsbau am Rande des Botanischen Gartens
ergänzt. Bis voraussichtlich Herbst 2014 hat das Gericht
einen temporären Amtssitz in der Karlsruher Waldstadt,
weil das Gebäudeensemble aus den sechziger Jahren
saniert wird. Das Bundesverfassungsgericht ist
nach seiner Rechtsstellung ein Organ der
Verfassungsrechtsprechung und ein allen übrigen
Verfassungsorganen gegenüber selbstständiger
und unabhängiger Gerichtshof des Bundes. Diese
Formulierung drückt gleichzeitig seine
verfassungsrechtliche Doppelstellung aus.
Seit ihrer Ansiedlung in Karlsruhe haben die Hohen
Gerichte eine weltweit angesehene Rechtskultur
geschaffen, welche die Entwicklung der
Bundesrepublik entscheidend mitbestimmt und
unseren demokratischen Rechtsstaat gefestigt hat.
"Das Recht der jungen Demokratie hat einen Namen bekommen
- Karlsruhe", unterstrich der ehemalige Präsident des
Bundesverfassungsgerichts, Professor Ernst
Benda, diese wichtige Rolle der Stadt. Mit keiner anderen
Kommune verbindet sich ein solcher Anspruch. "Der Gang
nach Karlsruhe" ist zu einem geflügelten Wort geworden.
Viele wichtige Entscheidungen tragen das Prädikat
"Karlsruher Urteil". Und oft blickt ganz Deutschland
auf diese Stadt, wenn eine höchstrichterliche
Entscheidung Normen für unsere freiheitlich
demokratische Grundordnung setzt. "Man sagt
Karlsruhe und meint damit den Rechtsstaat", brachte der
ehemalige BGH-Präsident Dr. Walter Odersky diesen
Tatbestand auf eine einprägsame Formel.
Die Wiedervereinigung Deutschlands vom 3.
Oktober 1990 stellte Karlsruhes Tradition als "Residenz
des Rechts" noch einmal in Frage. So wollte Sachsen den
Bundesgerichtshof nach Leipzig holen und Thüringen
beanspruchte das Bundesverfassungsgericht für
Weimar. Der Bundestag hat im Jahre 1992 einen
entsprechenden Antrag aus Sachsen mit großer Mehrheit
abgelehnt. Damit war der öffentlichen Diskussion um die
Verlegung der Hohen Gerichte endgültig der Boden
entzogen.
Platz der Grundrechte
In der "Residenz des Rechts" gibt es seit 2005 an
zentraler Stelle zwischen Zirkel und Schlossplatz auf
der historischen Achse den "Platz der Grundrechte".
Dort zeigt der Künstler Jochen Gerz auf der einen Seite
von 24 Metallschildern Aussagen von Juristen,
Wissenschaftlern und Rechtsexperten und auf der
anderen Seite jeweils Statements von Personen, die bereits
mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind oder auch eine
existenzielle Erfahrung mit dem Recht gemacht haben.
Damit dokumentiert jedes der Schilder zwei
unterschiedliche Antworten auf eine vom Künstler
gestellte Frage. Weitere 24 Metallschilder sind an
anderen Orten der Fächerstadt platziert, welche die
Bevölkerung ausgewählt hat. Jeder dieser Standorte steht
für ein Ereignis oder für einen historischen Ort.