Karlsruhe: Zoologischer Stadtgarten
Zooscout
Doktor Scout: Carolin Kuhn - die Robbenversteherin
Wer eine wissenschaftliche Arbeit über Tiere verfasst, dabei über deren evolutionären Ursprung forscht, der muss sich in ihre Welt begeben. Muss die Tiere hautnah in der freien Wildbahn erleben, beobachten und studieren. Oder einfach in den Zoo gehen. So wie Carolin Kuhn. Sie schrieb ihre Doktorarbeit über Robben. Genauer gesagt über deren Evolution. Der Titel: "Evolution von Robben. Eine konstruktionsmorphologische Studie." "Es wird kontrovers diskutiert, woher sie kommen. Es gibt fast keine Fossilien - und die, die es gibt, sind Robben. Bekannte Vorläufer gibt es keine", erklärte die Biologin.
Doch warum im Zoo und nicht in ihrer natürlichen Umgebung? "Im Zoo kann man viel mehr Dinge sehen. Draußen tauchen sie entweder oder liegen rum.", erläutert die 37-jährige und führt weiter aus: "Die Vielfalt der Bewegungsformen und den Zusammenhang zur Anatomie lässt sich eigentlich nur im Zoo beobachten." Eine Erkenntnis, über die sich Zoo-Direktor Dr. Matthias Reinschmidt freut: "Ich finde es hervorragend, dass der Zoo für die Dissertation von Carolin Kuhn eine Wirkungsstätte war, gehört doch die Forschung zu einem der Schwerpunkte eines modernen Zoos." Der Zoo Karlsruhe biete Doktoranten gerne die Plattform für wissenschaftliches Arbeiten. Für ihre Beobachtungen reiste Kuhn quer durch Europa, machte auch selbst Videoaufnahmen, um die Tiere genau beobachten zu können. Da es in europäischen Zoos keine südlichen Hundsrobben gibt, bekam sie auch Aufnahmen aus australischen Zoos.
Sieben Jahre im Neuland
Mit ihrer Arbeit betrat Carolin Kuhn absolutes Neuland. Denn das Entwerfen von Vorläuferkonstruktionen, also wie Vorfahren der Robben ausgesehen haben könnten, war bislang kein Forschungsthema. Dabei gebe es zwei verschiedene Konstruktionen, erzählt Kuhn. Eine Marder- und eine Dachsähnliche. "Das bedeutet, dass die Vorläufer der Robben in ihrem Körperbau mit ihnen vergleichbar sind, aber nicht direkt verwandt", betonte die Zoologin. Generell gibt es drei Arten von Robben, die sehr unterschiedlich in ihrem Sozialverhalten und in ihrer Fortbewegung sind. Hundsrobben, zu denen unter anderem Seehunde gehören, sind häufig Einzelgänger und bewegen sich robbend fort. Ohrenrobben, wie Seelöwen, leben im Harem und können sich an Land besser fortbewegen als Hundsrobben und sogar springen und klettern. Die dritte Art sind Walrosse. "Sie liegen irgendwo dazwischen", erklärt Kuhn. Beim Reden ist ihr die Faszination über die Tiere anzumerken. "Ich war überrascht, zu was die Tiere alles fähig sind" sagte sie. Als Beispiel führte sie Seehündin Zola an, die wohl aus dem Wasser heraus über die Absperrung des Geheges sprang und es sich im Stadtgartensee gemütlich machte.
Insgesamt sieben Jahre schrieb Carolin Kuhn an ihrer Doktorarbeit. Eigentlich wollte sie früher fertig sein, aber nach der Geburt ihres inzwischen dreijährigen Sohnes verschoben sich die Prioritäten. Vor einem Monat, im Dezember 2015, bekam sie schließlich ihr vorläufiges Zeugnis. Doktor darf sie sich aber noch nicht nennen. Dafür muss sie noch kleinere bürokratische Hürden überwinden. "Eher eine Formsache", lachte sie. Ursprünglich wollte sie gar nicht promovieren. "Am liebsten hätte ich sofort nach dem Studium gearbeitet, aber mit Doktor soll es einfacher sein, einen Job zu finden", sagte die Fast-Doktorin. Praxisluft hat sie dennoch schon geschnuppert. Als Scout im Zoo Karlsruhe.
Hobby zum Beruf gemacht
Als Scout bringt sie seit April 2014 bei Gruppenführungen den Zoo und seine Tiere den Besucherinnen und Besuchern fachkundig nahe. Ein Job auf Mini-Job-Basis, der ihr bei der Forschung half. So flossen Beobachtungen, die sie während den Scout-Touren machte, in die Ergebnisse mit ein. Natürlich half der Mini-Job auf 450-Euro-Basis auch, sich in den letzten Jahren über Wasser zu halten, denn von den sieben Jahren war sie nur die ersten drei in einem Projekt involviert, das ihr ihre Reisen oder die Ausrüstung finanzierte. "Als das Projekt auslief, hat mich mein Mann, mit dem ich seit fünf Jahren verheiratet bin, unterstützt", erzählt sie. Seit zwei Jahren führt sie 20 bis 25 Stunden im Monat Kinder, aber auch Erwachsene durch den Zoo. "Es gibt Führungen zu unterschiedlichen Themen, sie sind meist sehr individuell. Das macht viel Spaß, und ich mache es gerne". Insgesamt sieben Scouts setzt die Zoopädagogik des Zoos Karlsruhe derzeit ein. Scouts übernehmen Führungen und Kindergeburtstage. Sie erstellen aber ab und an auch Thementafeln oder Rallyes. Voraussetzung für die Tätigkeit ist eine Nähe zum Thema, so sind Scouts etwa Studenten der Biologie oder Tiermedizin, kommen aber auch aus naturwissenschaftlich nahen Bereichen, sind Tierarzthelferinnen oder haben pädagogische Erfahrung.
Schon immer von Zoos fasziniert
Vor allem gefällt Kuhn bei den Scout-Touren die Beschäftigung mit den Tieren. Zwar sind Raubtiere ihre Favoriten, die in Mühlacker geborene Biologin findet aber andere Tiere ebenso spannend. "Man kann nie auslernen". Ja, sie habe ihr Hobby zum Beruf gemacht – zunächst als Scout, nun peilt sie eine richtige Anstellung an.Privat hat sie zurzeit keine Tiere. "Wir hatten früher zwei Kaninchen. Jetzt, mit Kind, könnte man wieder darüber nachdenken", sagte sie mit einem Lächeln. Generell hofft sie, dass sie wieder mehr Zeit für alle ihre Hobbys hat, die in den vergangene Jahren ein stückweit brach lagen. "Ich bin gerne draußen, bastel und lese gerne und habe Karate bis zum blauen Gurt gemacht". Außerdem zog es sie als Kind immer gerne in den Zoo, um die Tiere zu beobachten. Da ist sie ja nun genau am richtigen Platz.