Karlsruhe: Zoologischer Stadtgarten
Pflegerin im Lebensraum Wasser
Zwischen den Polen: Irene Schicker-Ney und ihre Kollegen halten den Lebensraum Wasser in Schuss
Öfter mal was Neues. Das dachte sich wohl auch Irene Schicker-Ney. Denn ihr Werdegang hin zur Zootierpflege ist alles andere als der übliche. Eigentlich ist die gebürtige Unterfränkin Diplom-Ingenieurin für Städtebau. “Mit Mitte 40 habe ich mich gefragt, ob ich das wirklich noch 20 Jahre machen will“, erläuterte sie ihr Motiv für einen beruflichen Wechsel. Doch es war mitnichten gleich klar, dass sie in die Pflege geht; klar war, dass ein Zoo der neue Arbeitsplatz werden sollte, eventuell im Marketing. „Ich habe eine Weiterbildung und dabei auch ein halbes Jahr Praktikum im Osnabrücker Zoo gemacht. Dazu gehörte auch auf eigenen Wunsch ein Einsatz „vor Ort“ in der Tierpflege - ein Aha-Erlebnis! Da hab ich gesagt: Das mach ich.“
Es folgten noch weitere Praktika, auch im Winter, um nicht nur die angenehmen Seiten kennenzulernen und 2003 schließlich die zweijährige Umschulung. „In die Berufsschule musste ich nicht. Die Theorie habe ich mir nebenher selbst erarbeitet. Außerdem hielten mich die anderen Azubis auf dem Laufenden“, so Schicker-Ney. Nach einem einjährigen Intermezzo im Tierpark Bochum kam sie 2007 letztlich nach Karlsruhe, wo sie Eisbären, Pinguine, Seehunde und -löwen im Lebensraum Wasser sowie die Schneeleoparden mit zwei Kollegen betreut. Bereut hat sie die Entscheidung nie. „Der frühere Job hat Spaß gemacht, aber irgendwann war dann auch gut. Ich könnte mir heute nicht mehr vorstellen, acht Stunden in einem Büro zu sitzen“.
Gefühl muss sein
„Es ist auf jeden Fall mehr als nur ein Job“, kommt die Pflegerin ins schwärmen. „Wir werden nicht reich, müssen belastbar sein und konzentriert arbeiten. Aber vor allem braucht man, neben dem Fachwissen, Gefühl für die Tiere“. Im Gegensatz zum Fachwissen sei dieses Gefühl nicht erlernbar. „Entweder man hat es - oder nicht“. „Es ist nie langweilig und nicht monoton“, betont sie, warum sie diese Arbeit so mag. So verwundert es nicht, dass ihr der Kontakt mit Tieren am besten gefällt.
Der Nachwuchs muss versorgt werden
Den unmittelbaren Bezug zum Tier hat sie vor allem jetzt im Juli zur Genüge. Denn neben kleinen Schneeleoparden, die im Mai geboren wurden, und der Seelöwin Donna, die im Juni das Licht erblickte, ist vor allem der kleine Magellan-Pinguin Dickie das Nesthäkchen. Die Eltern des kleinen Schwimmvogels sind gestorben und so muss Dickie per Hand aufgezogen werden. So sitzt er auf dem Schoß der Unterfränkin und lässt sich genüsslich mit Fisch füttern. So zwischen 15 und 20 Mini-Fische frisst das kleine Tier. Ist ja schließlich noch im Wachstum. Das Geschlecht ist bisher noch unbekannt. „Bei Pinguinen kann man das nicht sehen. Das wird mit einer Feder-Probe ermittelt“, klärt Schicker-Ney auf.
Neben Dickie gibt es noch drei weitere kleine Pinguine. Diese sitzen zurzeit mit Dickie hinter den Kulissen und müssen lernen, vom Tierpfleger Fisch zu nehmen und zu fressen. Hier zeigt Dickie, wie das geht. Zudem „kontrollieren wir regelmäßig das Gewicht“, erklärt sie. Auch bei den Schneeleoparden kommt sie zurzeit in direkten körperlichen Kontakt mit dem Nachwuchs Dinata, Deeleg und Dipendu. Denn diese muss sie halten, wenn Tierärztin Anne Hein kommt, um die beiden männlichen Jungtiere an den Augen zu behandeln. Gut geht das. Denn: „Schneeleoparden sind relativ lange gut händelbar“, erläutert Schicker-Ney. Da kann in Ruhe untersucht werden. Natürlich wehren sich die Fellknäuel zunächst vehement, was aber mehr süß denn bedrohlich aussieht.
Hauptbeschäftigung: Putzen
Doch der Arbeitsalltag besteht selbstverständlich nicht nur darin, die possierlichen Tierchen zu umsorgen. Wie bei anderen Tierpflegern auch, heißt es ebenfalls im Lebensraum Wasser: putzen, putzen, putzen. Die großen Anlagen und vor allem die vielen Glasscheiben rund um die Gehege machen den Großteil der Arbeit aus. „Aber selbst das macht mir Spaß“, lacht die Pflegerin. Ein anderer großer Punkt auf dem täglichen Arbeitsplan ist das Füttern. Zum einen die Schaufütterungen vor Publikum, zum anderen aber auch die normalen. 50 bis 60 Kilogramm Fisch sind es schon täglich für alle „ihre“ Tiere. Hinzu kommen die Fleischportionen. Allein die Eisbären vertilgen davon neben Fisch bis zu zehn Kilogramm am Tag.
Zwischendurch gibt es für die drei Eisbären Nika, Larissa und Vitus noch so genanntes Beschäftigungsfutter. Snacks also, zusätzliche Leckereien, die für die Ernährung der Eisbären als Fleischfresser an sich keine Rolle spielen - etwa Brötchen oder einen gefroren Fruchtmix. Oder das „Frühstück“ vom Löffel. Dass die Eisbären überhaupt zusammenleben, ist schon außergewöhnlich. „Eisbären sind eigentlich Einzelgänger. In vielen anderen Zoos kommen sie nur zur Paarung zusammen“, beschreibt sie die Besonderheit der Situation. Und was in vielen anderen Beziehungen gilt, trifft auch für Eisbären zu: „Die Damen haben den Herren gut im Griff“, schmunzelt Irene Schicker-Ney.
Seehunde sind die große Liebe
Ihre absoluten Lieblingstiere sind aber die Seehunde. Die hatten es ihr schon bei ihrer ersten Begegnung in Osnabrück angetan, wie sie sagt. Grund dafür sei ihre Art. „Seehunde sind eigentlich ruhig und scheu. Wenn sie dir dann vertrauen, ist das einfach schön. Es macht dann schon Spaß, mit ihnen zu arbeiten. Außerdem erfüllen sie total das Kindchenschema“.
Nach einem Acht-Stunden-Tag ist aber noch lange nicht Schluss für die engagierte Pflegerin. Auch privat bildet sie sich immer weiter fort, besitzt entsprechende Literatur und ist Mitglied im Berufsverband der Zootierpfleger. Außerdem besuchte sie Seminare auf eigene Kosten. Wenn ein Tier den Zoo verlässt und umzieht, besucht Schicker-Ney das Tier auch mal in der neuen Heimat. Etwa den Seehund Zola im tschechischen Usti, die vor zwei Jahren Aufmerksamkeit erregte, als sie vorübergehend aus dem Gehege ausbüchste und über den Sommer im Stadtgartensee lebte. Wahrlich, es ist mehr als nur ein Job.