Karlsruhe: Zoologischer Stadtgarten
Schneeleopardenpfleger
Keine Schmusekatzen: Thomas Ramm - Bändiger der Leoparden
Sie versuchen sich zu wehren und haben schon enorme Kraft. Gut vier Monate sind die drei Schneeleoparden Dinata, Deeleg und Dipendu nun alt. Es hat sich einiges getan seit Mai 2015. "Schneeleoparden sind relativ lange händelbar. Aber so langsam verliert es sich", sagte Thomas Ramm, Tierpfleger im Karlsruher Zoo. Es passt, dass er privat auch ein Katzenfan ist. "Leider habe ich zurzeit keine." Dafür kann der 31-jährige seine Leidenschaft bei der Arbeit ausleben. Wenn auch nicht auf die gleiche Weise wie mit Stubentigern. "Die hier sind doch ein anderes Kaliber", lachte der gebürtige Kölner, der seit rund drei Jahren in Karlsruhe lebt und arbeitet.
"Ich wollte immer mit Tieren zu tun haben, aber direkt nach der Schule habe ich mich nicht getraut. Ich fühlte mich zu unreif und jung", gab Ramm zu. So hat er erst Elektroniker gelernt und danach Automatisierungstechnik studiert. "Ich saß dann mal in einer Vorlesung und habe mich gefragt, ob das wirklich das ist, was ich machen will". Und schaute sich um. Kurze Zeit später machte er ein Praktikum im Kölner Zoo. Das war es. Er hatte Glück, bekam auch gleich einen Ausbildungsplatz. Nach einem kurzen Intermezzo in Rostock ging‘s dann schließlich nach Karlsruhe. Als echter Kölsche Jung, der dazu noch Fan des 1.FC Kaiserslautern ist, war es nicht immer leicht für ihn. "Am Anfang fiel es mir schwer. Es ist doch eine andere Mentalität. Wir haben eine viel lockerere Zunge." Beim Thema Fußball war das Miteinander leichter. "Rivalitäten sind mir egal. Ich bin da sehr tiefenentspannt."
Das Tier geht vor
Thomas Ramms berufliche Stationen zeigen: Der Beruf des Tierpflegers geht mit viel Flexibilität einher. Schließlich finden sich Zoos nicht an jeder Ecke. Doch nicht nur das nimmt Einfluss auf das Privatleben. "Es ist definitiv mehr als ein Beruf. Wenn es einem Tier nicht gut geht, kommt der Beruf manchmal vor Beziehung und Familie". Im Alltag dreht sich fast alles um das Wohlergehen der Tiere. "Wir im Revier kontrollieren jeden Morgen, ob es den Schneeleoparden, Eisbären, Pinguinen und Robben gut geht".
Dabei wird nicht nur darauf geachtet, ob sie krank sind. Die Fürsorge geht weiter. "Da liegt oft Zeug auf der Anlage, dass die Tiere besser nicht fressen sollten. Zum Beispiel Schnuller. Oder etwas zum Fressen – obwohl es das Fütterungsverbot nicht ohne Grund gibt. Was da vor den Pfoten von Dinata, Deeleg und Dipendu, Assam und Julika landet, ist selten als "gesunder Snack" geeignet und für die Tiere nicht gut. Wenn Ramm und seine Kollegen so etwas mitbekommen, sprechen sie die Menschen an, um sie für die Probleme zu sensibilisieren. Doch leider bekommen sie nicht jeden "Futterwurf" gleich mit.
Höchste Gefahrenstufe
Sein Revier ist kein "Streichelzoo", auch für ihn nicht. Daher ist nicht nur die Sicherheit der Tiere wichtig, auch die der Menschen. "Es gibt drei Gefährlichkeitsstufen", erklärt Ramm. In die erste Kategorie fallen Tiere, die für den Mensch nicht gefährlich sind, etwa Pinguine. In der zweite sind Tiere, die unter bestimmten Umständen für den Mensch gefährlich sein können, zum Beispiel Seehunde, wenn jemand in ihren Lebensraum eindringt. Bei der dritten Stufe gibt es generell ein Gefahrenpotential für den Mensch. Leoparden oder auch Eisbären gehören in diese höchste Gefährlichkeitsstufe. Wer als Tierpfleger mit solchen Tieren zu tun hat, muss seinen Alltag so managen, dass es für Tier und Mensch zu keinen gefährlichen Situationen kommt. Es gilt, heikle Situation von vornherein konsequent zu vermeiden.
Die Zoo-Richtlinie für Wildtiere, die in der gesamten EU gilt und unter anderem besagt, dass jegliche Bedrohung von Mensch und Tier auszuschließen ist, haben er und seine Mitarbeiter verinnerlicht. So haben die Pflegerinnen und Pfleger im "Backstage-Bereich" der Schneeleoparden eine schwarz-gelbe Linie, die nicht übertreten werden darf, wenn die Raubkatzen drin sind. Ramm: "Bis dahin können sie theoretisch noch jemanden erwischen“. Zu den baulichen Vorkehrungen gehört, dass Tore immer doppelt gesichert sind. Durchgänge können jederzeit geschlossen werden. "Die Schlösser, die das Ganze zusätzlich zu den Hebeln sichern, können nur wir öffnen", betont der Rheinländer. Im Außenbereich gibt es zwei Sicherungsarten. Zum einen einen Elektrozaun auf dem Hauptgelände, durch den 6.000 Volt fließen, zum anderen ist im Nebengehege ein Netz als Dach angebracht. Es verhindert, dass die Raubkatzen herausklettern können.
Kollegen-Check gegen Alltagstrott
Kontrolle ist das A und O. Gerade der Stromzaun muss oft überprüft werden. "Wir schauen mehrmals täglich auf den Kontrollkasten. Außerdem haben wir ein mobiles Prüfgerät". Dass es nötig ist, die Spannung immer im Blick zu haben, zeigt die Entdeckerfreude des Nachwuchses. "Die Jungtiere probieren den Zaun aus, ähnlich wie in Jurassic Park." Auch Isolatoren haben die Rabauken schon herausgerissen. Dann funktioniert die Stromsicherung natürlich nicht mehr.
Ist der Zaun eine Zeitlang ohne "Saft", sind die Tiere aus Sicherheitsgründen nicht mehr auf der Außenanlage. "Auch zu unserer eigenen Sicherheit: Wir kontrollieren richtig, es gibt kein husch-husch. Es darf kein Alltagstrott entstehen, denn dann macht der Mensch Fehler". Also schaut Ramm lieber einmal mehr nach, ob er wirklich abgeschlossen hat. Ins Fleisch und Blut ist den Tierpflegern übergegangen, beim anderen Kollegen nach dem Rechten zu schauen. "Gerade weil wir uns gegenseitig vertrauen, ist uns dieser Check wichtig. Wir wollen das Restrisiko "menschliches Versagen" ausschließen", betont Ramm.
Die rheinische Frohnatur wird sehr nachdenklich, wenn er von Unfällen in anderen Zoos hört. Etwa in einem polnischen Zoo, als kürzlich ein Tiger einen Pfleger tötete oder in Duisburg, wo ein Orang-Utan aus einer Unachtsamkeit heraus ausbrechen konnte und getötet werden musste. "Das ist schlimm. Gerade, wenn ein Berufskollege betroffen ist, macht man sich unweigerlich Gedanken." Und wiederum gilt: Aufmerksam bleiben. "Völlig falsch wäre es nun, sich verunsichern zu lassen, das führt zu Fehlern". Ramm verweist auf eine weitere Sicherungsebene: Damit jeder weiß, dass es den Kollegen gut geht, ist eine Sicherung in die am Körper zu tragenden Funkgeräte eingebaut. Fällt es um, sendet es ein Warnsignal. Es wird dann sofort nachgefragt, ob alles in Ordnung ist. Diese Sicherung nennt sich "Totmannschalter".
Der größte Ansporn, das Thema Sicherheit nie als Nebensache zu begreifen, sind für ihn die Gäste des Zoologischen Gartens. "Wir haben hier ganz klar einen Anspruch den Besuchern gegenüber. Würde jemals etwa einem Kind etwas passieren, würde ich meines Lebens nicht mehr froh". Aus diesem Grund sind Ramm und Kollegschaft immer auf der Hut. Keiner aus dem "Gefahrenbereich Drei" geht abends heim, ohne nicht noch ein letztes Mal alles gründlich zu kontrollieren. Damit am nächsten Tag alle Gäste bedenkenlos ihren Besuch im Zoologischen Stadtgarten genießen können.