Karlsruhe: Stadtgeschichte
Mit dem Schiff vom Festplatz nach Holland
UM BEWEGUNG drehte sich sogar einmal alles im Stadtarchiv, wo es doch eigentlich beim Aufbewahren der Zeitdokumente mehr um Statik als Dynamik geht. Patrick Sturm ließ die Zeugnisse sprechen. Foto: jodo
Aktionsmotto "Mobilität im Wandel": Das
Stadtarchiv öffnet am landesweiten Aktionstag seine
Pforten
eki. Fast etwas traurig schauen Lina Radke-Batschauer und
Gertrud Gladitsch in die Kamera. Dabei hatten die beiden
Karlsruher Leichtathletinnen bei diesem Pressefoto aus
dem Jahr 1927 allen Grund zur Freude. Die spätere
Olympiasiegerin Radke-Batschauer gewann im Trikot des
Karlsruher FV nämlich bei den Deutschen
Leichtathletikmeisterschaften in Breslau den Titel
über 800 Meter und stellte dabei in 2:23,8 Minuten noch
eine Weltbestzeit aus. Gladitsch gewann für den FC Phönix
Gold über 100 Meter. "Echte Siegerposen gab es damals
offenbar noch nicht", erklärt Lisa Hauser vom
Stadtarchiv Karlsruhe den Besuchern.
Am Samstag öffnete das Stadtarchiv im Rahmen des landesweiten Tags der Archive seine Pforten und lieferte unter dem Motto "Mobilität im Wandel" Einblicke in die alltägliche Arbeit der Archivare. So führte Hauser die Gäste auch in jene Magazinbereiche, die sonst für die Öffentlichkeit gesperrt sind. Auf etwa 35 Metern werden in den Rollregalen die Dokumente, Jubiläumszeitschriften, Medaillen und Wimpel von Karlsruher Sportvereinen gelagert. Von traditionsreichen Vereinen wie den ehemaligen deutschen Fußballmeistern KFV und FC Phönix sind in den Magazinregalen viele historische Unterlagen gesammelt. "Aber auch von weniger bekannten Clubs haben wir schon zahlreiche historische Schriften", so Hauser. Bislang würden die meisten Dokumente auf Auktionen ersteigert, betont die Archivarin. "Aber die Vereine können ihre alten Unterlagen auch persönlich bei uns abgeben", betont sie.
Auch weitere Führungen wie "Unterwegs in der Stadt - Straßen und Verkehrswege in Karlsruhe" mit Patrick Sturm oder "Das Tor zur Welt - der Karlsruher Rheinhafen" mit Stadtarchivleiter Ernst Otto Bräunche galten dem Aktionstagsmotto. Bräunche zeigte den Besuchern neben Bildern von der Eröffnung des Rheinhafens mit Großherzog Friedrich I. im Jahr 1902 Pläne von nie verwirklichten Hafenkonzepten. "Im 19. Jahrhundert stand einmal ein Kanal vom Rhein zum Karlsruher Festplatz zur Diskussion", so Bräunche, "dann hätten die Leute von der Stadtmitte per Schiff bis nach Holland fahren können". Solche Ideen wurden aber ebenso wenig verwirklicht wie die Visionen einer Postkarte aus der Gründerzeit, die als Motiv für die Aktionstagsplakate verwendet wurde. Auf diesem Bild fahren die Bürger nicht nur mit Autos, Fahrrädern und Bahnen in der Innenstadt. Über dem Marktplatz schwebt auch eine fliegende Tram.
"Nicht jedes Mobilitätskonzept hat sich am Ende auch durchgesetzt", so Bräunche. Neben den Fahrraderfinder Karl Drais und Autobauer Karl Benz verdiene sich im Rückblick aber sicherlich noch der langjährige Verkehrsbetriebechef Dieter Ludwig einen Platz in der Ahnengalerie der Mobilitätspioniere, so Bräunche, "denn das Karlsruher Modell ist heute in vielen Städten Vorbild für einen funktionierenden Nahverkehr".
Badische Neueste Nachrichten | Karlsruhe | KARLSRUHE | 07.03.2016