Karlsruhe: Stadtgeschichte
Karlsruher Stadtgeschichte
Die Stadtgründung
Karlsruhe ist eine sehr junge Stadt, deren Geschichte erst
am 17. Juni 1715 mit der Grundsteinlegung zum neuen
Residenzschloss des Markgrafen Karl Wilhelm von
Baden-Durlach begonnen hat. Mitten im Wald als Ausdruck
des Gestaltungswillens eines absolutistischen
Fürsten entstanden, ist Karlsruhe die letzte
oberrheinische Stadtgründung mit dem bis heute
charakteristischen strahlenförmigen Grundriss.
Die neun, wie das Schloss nach Süden ausgerichteten
Alleen bildeten zunächst das Stadtgebiet und ergaben so
den viel bestaunten Fächerplan mit seinem fließenden
Übergang zur Natur. Die übrigen Alleen erschlossen das
Jagdgebiet und endeten in den umliegenden Dörfern der
Hardt. Der Grundriss der Stadt und die geplante
Höhenabstufung der Bebauung vom dreigeschossigen
Schloss zu eingeschossigen Bürgerhäusern gelten als
Musterbeispiel einer absolutistischen Stadtgründung,
als die reinste Verkörperung des Wesens einer Idealstadt
unter den deutschen Residenzen. 1801 rühmte Heinrich von
Kleist, die Stadt sei "wie ein Stern gebaut, … klar und
lichtvoll wie eine Regel, … als ob ein geordneter Verstand
uns anspräche."
Der Markgraf ließ sein neues Residenzschloss nur wenige
Kilometer von seiner alten Residenz Durlach entfernt
erbauen. Nach der Zerstörung von Schloss und Stadt Durlach
durch französische Truppen während des pfälzischen
Erbfolgekrieges im Jahr 1689 hatte der damalige
Markgraf Friedrich Magnus zunächst mit dem Wiederaufbau
des Schlosses in Durlach begonnen. In Zeiten
wirtschaftlicher Not und des Spanischen
Erbfolgekrieges kam er aber nur langsam voran. Zudem
verweigerten die Durlacher Bürger sich weit reichenden
Schloss- und Stadterweiterungsplänen und die Lage der
alten Residenz zwischen Bergrand und sumpfigem Gelände
beengte des barocken Fürsten Leidenschaft für die Jagd
und die Gärtnerei. Seinem Nachfolger Markgraf Karl Wilhelm
schwebte zudem ein Schloss im Stile von Versailles vor,
das der Sonnenkönig Ludwig XIV. kurz zuvor hatte bauen
lasen. Auch Markgraf Karl Wilhelm war dem
absolutistischen Selbstverständnis verpflichtet, das
sich im Schloss und in der Stadt widerspiegeln
sollte.
Karlsruhe im 18. Jahrhundert
Dank großzügiger Aufnahmebedingungen für Neubürger
wuchs die Stadt zunächst zufriedenstellend, 1719 waren
es fast 2.000 Einwohner. Verbrieft wurden erstmals in
einer Residenzstadt Freiheit zur Ausübung aller im Reich
tolerierten Religionen, darüber hinaus Freiheit von
Leibeigenschaft und Frondiensten, ein Bauplatz nebst
Baumaterial, Steuerfreiheiten, eine bürgerliche
Gerichtsbarkeit sowie ein Anhörungs- und
Vorschlagsrecht für alle Bürger. Weniger weit reichende
Privilegien hat es zu dieser Zeit auch in anderen
Städten gegeben, aber kein Privilegienbrief war bisher
mit solcher Publizität verbreitet worden. Als
Druckschrift fand er Verbreitung außerhalb Badens und
erschien auch in französischen Zeitungen. Die Neubürger
kamen denn auch zu 50 % aus Orten mit mehr als 100 km
Entfernung, 18 % stammten von außerhalb des Reiches, vor
allem aus Frankreich, der Schweiz, aber auch aus Italien
und Polen.
Die Stadt wuchs nach den Anfangserfolgen nach ihrer
Gründung nur langsam, um 1750 zählte sie gerade mal rund
2.500 Einwohner. Es bedurfte eines dem Fortschritt
zugewandten Fürsten mit Fortune, um der Stadtgründung im
Wald zukunftsweisende Entwicklungsmöglichkeiten zu
eröffnen. Markgraf Karl Friedrich, der Enkel des
Stadtgründers und sein unmittelbarer Nachfolger, trat
nach einem vormundschaftlichen Interregnum 1746 die
Regentschaft an und übte sie zum Segen der Stadt bis 1811
aus. Karl Friedrich gilt als herausragender Vertreter
des aufgeklärten Absolutismus. Das spiegelte sich wieder
in der Förderung des Unterrichtswesens, der
bürgerlichen Rechtspflege, der Aufhebung der Folter
(1767) und der Leibeigenschaft (1783) wie im Judenedikt
(1806), das den Juden den Weg der Emanzipation wies. Der
Verbesserung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
des Landes dienten der Bau von Landstraßen, Kanälen und
die Anlage landwirtschaftlicher Musterbetriebe.
Zusammen mit Markgräfin Karoline Luise erwarb er der
Karlsruher Residenz den Ruf eines "Musenhofes", der der
Bedeutung des kleinen Landes weit voraus war. Das
Fürstenpaar zählte zu seinen Gästen Voltaire, Herder,
Lavater, Goethe, Klopstock, Gluck und Wieland. Es schuf so
ein von geistiger Freiheit geprägtes Klima, wie es der
Tradition der Oberrheinregion, in der sich
unterschiedliche geistige und kulturelle Strömungen
überlagerten und gegenseitig beeinflussten,
entsprach.
Von der markgräflichen Residenz zur
Großherzoglich-badischen Haupt- und
Residenzstadt
Zudem konnte Karlsruhe als Residenzstadt von den verschiedenen badischen Gebietserweiterungen unter Karl Friedrich profitieren. 1771 wurden die beiden badischen markgräflichen Lande nach dem Tode des Markgrafen August Georg von Baden-Baden erstmals seit 1535 wieder vereinigt. Einen erneuten Aufschwung nahm die Stadt nach dem Aufstieg der Markgrafschaft zum Kurfürstentum (1803) bzw. zum Großherzogtum (1806) und den damit verbundenen enormen Landgewinnen: Baden hatte zunächst als Verbündeter Napoleons sein Territorium vervierfacht. Nach dem rechtzeitigen Überwechseln in das Lager der Gegner Napoleons wurden diese Gewinne auf dem Wiener Kongress 1815 bestätigt. Die Bevölkerung war zu diesem Zeitpunkt auf über 15000 angewachsen.
Der Aufstieg des Landes spiegelte sich in der Stadt
wieder: Bereits in den 1770/80er Jahren war der Neubau des
Schlosses auf den alten Grundmauern abgeschlossen und
Planungen zur Stadterweiterungen erörtert worden. Mit
dem Karlsruher Zimmermannssohn Friedrich Weinbrenner
fand Karl Friedrich den Baumeister, der seiner Residenz ab
1801 das klassizistische Gepräge gab. Hatte der Gründer
der Stadt den Fächergrundriss geplant, so schuf
Weinbrenner die bis heute das Bild der Stadt bestimmende
Mittelachse vom Schloss über den Markt- und Rondellplatz
zum Ettlinger Tor. Sie ist gesäumt von seinen Bauten, u.
a. dem Rathaus und der evangelischen Stadtkirche. Über
der Gruft des Stadtgründers errichtete er auf dem
Marktplatz die Pyramide als Grabmal, das zum Karlsruher
Wahrzeichen wurde. Weinbrenners Marktplatz gilt heute
noch als "Lehrstück urbaner Raumgestaltung", "als eine
der feinsten Leistungen städtebaulicher Kunst".
Das Großherzogtum Baden war aus einer Vielzahl kleiner und
kleinster territorialer Einheiten mit
unterschiedlichsten herrschaftlichen, ökonomischen,
kulturellen und konfessionellen Traditionen und
Strukturen zusammengefügt worden. Es verwundert daher
nicht, dass Karlsruhe weniger unbestritten als
Landesmetropole akzeptiert wurde als die Residenzen in
Bayern oder Württemberg. Gleichwohl hielt der Ausbau der
Residenz mit staatlichen Institutionen und
repräsentativen Bauten im 19. Jahrhundert unverändert an.
Als 1818 nicht die erste, aber die fortschrittlichste von
Karl Friedrich Nebenius erarbeitete Verfassung der Zeit
für Baden erlassen wurde, bezog das Parlament 1822 den
ersten eigenständigen Parlamentsbau Deutschlands, das
Ständehaus in Karlsruhe. Die hier tagende Zweite Kammer
wurde zum Forum, das durch politische Diskussionen und
Reformen das Zusammenwachsen des Großherzogtums
maßgeblich förderte. Im Vormärz wuchs dem Parlament
stilbildende Kraft für ganz Deutschland zu, es wurde zur
"Wiege der deutschen Demokratie". Die Forderungen nach
mehr politischer Mitsprache, Pressefreiheit, Trennung
von Justiz und Verwaltung, Öffentlichkeit und
Mündlichkeit von Justizverfahren sowie der Aufhebung
von Frohnden und Zehnten wurden hier drängender gestellt,
leidenschaftlicher diskutiert und unbeugsamer
vertreten als sonst in Deutschland. Zu den viel
beachteten Diskussionen zählten auch jene zur erstmals
gestellten sozialen Frage, zur Judenemanzipation und
nicht zuletzt zur deutschen Einheit. Entsprechend brach
sich die Revolution 1848/49 kaum irgendwo auf deutschem
Boden so heftig Bahn wie in Baden, wo in Karlsruhe 1849
die erste, wenn auch nur kurzfristige und durch
preußische Truppen niedergeschlagene Republik
Deutschlands, bestand. Mit dem Beginn einer neuen
liberalen Ära unter dem seit 1852 herrschenden Großherzog
Friedrich I. in den 1860er Jahren gewann das Karlsruher
Ständehaus und die hier bis 1871 praktizierte
Abhängigkeit der Regierung vom Vertrauen des Parlaments
noch einmal nationale Aufmerksamkeit. Das in dieser Zeit
geschaffene Gerichtsverfassungsgesetz gilt als
Meilenstein in der Rechtsgeschichte, da es erstmals die
Möglichkeit eröffnete, verbriefte individuelle Rechte
der Bürger gegenüber Rechtsverstößen des Staates
einzuklagen.
Bildung und Kultur
Dem kunstsinnigen badischen Fürstenhaus und dessen Ziel
der repräsentativen Ausstattung seiner Residenz auch als
kulturelles Zentrum des Landes verdankt die Stadt ihre
traditionellen, großen Einrichtungen für Kunst und
Kultur. Sie haben ihren hohen Rang bis heute erhalten
können und bilden die Grundlagen für die kulturelle Breite
und Vielfalt Karlsruhes. Das Hoftheater (seit 1808)
erlebte ab 1853 im neuen Haus seine glanzvollste Epoche,
und die Stadt genoss den Ruf eines "Klein Bayreuth". Die
seit 1806 zugängliche Kunstsammlung erhielt 1846 einen
repräsentativen, später erweiterten Neubau. Sie besitzt
heute eine der bedeutendsten Sammlungen alter Meister.
1873 wurde das Sammlungsgebäude (Bibliothek, Sammlung
für Altertums- und Völkerkunde, Naturalien- und
Münzkabinett) eröffnet. Seit 1818 besteht der
zweitälteste deutsche Kunstverein, dessen Gründung von
dem sich formierenden Bürgertum ausging.
Anderen als repräsentativen Überlegungen folgte der
Ausbau des Bildungssystems. Die anstehenden
Entwicklungen, der Aufbruch in das industrielle
Zeitalter erforderte gut ausgebildete Fachleute. So
entstand 1825 nach Pariser Vorbild die erste Technische
Hochschule auf deutschem Boden. Johann Gottfried Tulla,
der die Rheinbegradigung geplant hatte, war ihr
Mitbegründer. Gelehrte wie Redtenbacher, Grashof,
Weltzien, Engler, Bunte, Hertz, Haber und Lehmann gehörten
im 19. Jahrhundert zu den herausragenden Gelehrten,
die die Hochschule zur Keimzelle bedeutender, bis heute
wirksamer Innovationen machten. Absolventen wie Robert
Gerwig, Carl Benz, der Erfinder des Automobils, oder
Karlsruher Industrielle bestätigten ihren
hervorragenden Ruf als Ausbildungsstätte. Der Erfinder
des Fahrrads, der Karlsruher Carl Frhr. Drais von
Sauerbronn, war allerdings Autodidakt. Kunstakademie
(1854), Pädagogische Hochschule (1875),
Baugewerkeschule (1878, heute Hochschule für Technik)
und das Konservatorium (1884, heute Musikhochschule)
vervollständigten den Reigen der Hochschulen in der
Stadt. Mit der Schaffung des dualen Systems der
technisch-gewerblichen Berufsbildung seit 1834 und dem
Mädchengymnasium in Karlsruhe seit 1893 setzten Land
und Stadt weitere nationale Maßstäbe.
Die Industrialisierung
Trotz des Aufschwungs um die Jahrhundertwende behielt
Karlsruhe in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts
aber zunächst noch seinen eher beschaulichen Charakter.
Wie bei den anderen deutschen Großstädten ging ein
wesentlicher Impuls erst wieder von der
Industrialisierung aus. Vor 1850 entstanden allerdings
nur vereinzelt Betriebe, aus denen später
Großunternehmen werden sollten, z. B. die
Maschinenfabrik Martiensen & Keßler, die 1842 die
erste badische Lokomotive baute. Diese frühe
Industrialisierung Karlsruhes hatte das
Erscheinungsbild der Residenz und ihrer Gesellschaft
nur allmählich verändert. Die eigentliche Ansiedlung von
Industrien setzte in Karlsruhe erst in den 60er Jahren des
19. Jahrhunderts ein. Mit der Hochindustrialisierung
nach der Reichsgründung 1871 wurde auch die badische
Residenzstadt von deren gesellschaftlicher und
wirtschaftlicher Dynamik erfasst. Im Zeichen des
Bevölkerungswachstums, der Urbanisierung und der
Industrialisierung erlebte die Stadt im 19.
Jahrhundert eine zweite tiefgreifende Veränderung der
äußeren und inneren Verhältnisse. Die Bevölkerung wuchs
auch in Karlsruhe explosionsartig, die Stadt wurde
1901 mit 100.000 Einwohnern Großstadt.
Erster Weltkrieg, Weimarer Republik und Drittes
Reich
Die Entwicklung Karlsruhes zur Industriestadt mit
Schwerpunkt in der Metallverarbeitung und dem
Maschinenbau wurde nach dem Ersten Weltkrieg abrupt
unterbrochen. Der Verlust des Hofes nach der Abdankung
des letzten Großherzogs 1918 spielte aber inzwischen keine
Rolle mehr. Karlsruhe hatte sich von der Abhängigkeit vom
Hof gelöst, welche die ersten 150 Jahre seiner
Entwicklung geprägt hatten. Es blieb auch unverändert
Landeshauptstadt mit dem gesamten Verwaltungsapparat
und den zentralen Einrichtungen. Die großherzoglichen
Kulturinstitutionen führte der Freistaat Baden
fort.
Allerdings lag Karlsruhe nach den Bestimmungen des
Versailler Vertrages in der entmilitarisierten Zone.
Dadurch ging die Garnison als ökonomischer Faktor
verloren. Entscheidender war aber, dass
Elsass-Lothringen wieder an Frankreich fiel, wodurch die
Karlsruher Industrie ein wichtiges Absatzgebiet verlor.
Zudem traf die vorübergehende Unterbrechung der
Auslandsbeziehungen die exportorientierte
Maschinenindustrie besonders hart. Die Umstellung von
der nicht unbedeutenden Rüstungs- auf
Friedensproduktion führte zu einer hohen Labilität im
Karlsruher Wirtschaftsleben. Der Industriestandort
Karlsruhe im Schatten der Grenze zu Frankreich war für
Investoren nicht attraktiv.
Dennoch wuchs die Stadt kontinuierlich weiter: 1933
hatte sie knapp 155.000 Einwohner. Bis zu diesem Zeitpunkt
waren auch zahlreiche Nachbarorte nach Karlsruhe
eingemeindet worden und hatten wesentlich zum Wachstum
der Stadt beigetragen, darunter als erste 1886 die
Nachbarstadt Mühlburg, als letzte das Dorf Bulach im Jahr
1929. Damit bekam Karlsruhe neben einer ansehnlichen
Anzahl neuer Einwohner vor allem das dringend benötigte
Areal zur Ausdehnung der Stadt.
Politisch war aus der im Kaiserreich noch weitgehend
nationalliberal dominierten badischen
Landeshauptstadt zunächst eine Stadt geworden, in der
die Weimarer Koalition aus SPD, Deutscher Demokratischer
Partei und Zentrum die Richtung vorgab. Bis heute
nachwirkende Planungen und Projekte wie der
Generalbebauungsplan von 1926 oder der Bau von neuen
Wohnsiedlungen, darunter mit der Dammerstocksiedlung
ein Beleg für die Öffnung zum Neuen Bauen, wurden trotz
schwieriger finanzieller Lage auf den Weg gebracht.
Mit dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise stieg die Zahl
der NSDAP-Wähler und Wählerinnen so rapide an, dass die
Nationalsozialisten schon 1930 zur stärksten
politischen Kraft wurden.
Obwohl der Sprung über die 50-Prozent-Hürde auch hier
nicht gelang, schaltete die NSDAP nach der Ernennung Adolf
Hitlers zum Reichskanzler rasch die politischen Gegner
aus und die Verwaltung und Öffentlichkeit im neuen
Führerstaat gleich. Aus der badischen Landeshauptstadt
wurde die Gauhauptstadt Karlsruhe, in der nun
nationalsozialistische
Propagandaveranstaltungen mit Beteiligung der
regionalen und häufig auch der deutschen
Parteiprominenz zum Alltag gehörten.
Die Nachkriegszeit
Wie für Deutschland insgesamt hatte die
nationalsozialistische Machtübernahme für die Stadt
katastrophale Folgen. Der jüdische Bevölkerungsteil
wurde entweder aus der Stadt vertrieben oder aber seit
1940 deportiert und schließlich umgebracht, die Stadt in
dem von Deutschland begonnen Zweiten Weltkrieg zu einem
großen Teil zerstört. Zu den Folgen des Zweiten
Weltkrieges gehörte darüber hinaus der Verlust der
Hauptstadtfunktion. Die quer durch Baden verlaufende
Grenze der Besatzungszonen rückte Karlsruhe nicht nur
geographisch in einen "toten Winkel". Die Erhaltung der
Zentralität der Stadt bei den
Verwaltungsdienstleistungen für ganz Nord- und
Mittelbaden mit zahlreichen Institutionen des Landes
und des Bundes verhinderte aber das Absinken Karlsruhes
zur unbedeutenden Provinzstadt. Der
Bundesgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht
machten die Stadt zur "Residenz des Rechts". Mit dem
Kernforschungszentrum wuchs das in der Technischen
Hochschule vorhandene Forschungspotential. Nach der
Stagnation der Zwischenkriegszeit nahm die
industrielle Entwicklung seit 1946/47 einen Aufschwung,
der in der Ansiedlung zweier Ölraffinerien nördlich von
Maxau gipfelte. Die europäische Einigung verwandelte
zudem den früheren Nachteil der Grenznähe in den Vorteil,
im Zentrum europäischer Verkehrswege zu liegen.
Nach der raschen Trümmerräumung der Innenstadt begann bald
nach der Währungsreform ein langanhaltender Bauboom.
Der Wiederaufbau ging allmählich in einen Ausbau der
Stadt über. Im Stadtinneren konnten die historischen
Konturen des Fächergrundrisses und zentraler
Weinbrennerbauten erhalten werden, ohne damit die
Entwicklung zur modernen Großstadt zu hemmen. An den
Stadträndern wuchsen moderne Wohnviertel, etwas außerhalb
entstanden Trabantensiedlungen. Das rasche Wachstum
der Stadt bis weit in die 1960er Jahre ließ die Frage
erneuter Eingemeindungen dringlich werden. Die
ehemalige Residenzstadt liegt heute nach den
Eingemeindungen der 1970er Jahre in einem Kranz ehemals
selbständiger Gemeinden, die zumeist viel älter sind als
Karlsruhe.
Der am Ende der 1960er Jahre einsetzende
gesellschaftliche und wirtschaftliche Wandel wirkte
sich auch in der Kommunalpolitik aus. Statt der
"autogerechten Stadt" wurde der "stadtgerechte
Verkehr" zur Leitlinie der Verkehrsplanung. An die
Stelle des Ausbaus der Stadt trat der innerstädtische
Umbau und die Stadterneuerung mit der Sanierung ganzer
Stadtviertel wie des "Dörfle", der Konversion ehemaliger
Industrieflächen und der Schaffung neuer Grünanlagen.
Ziel dieser Maßnahmen war die Steigerung der
Lebensqualität in der Stadt, um die Abwanderung
besserverdienender Bürger in das Umland zu
verhindern.
Der wirtschaftliche Strukturwandel seit den 1980er
Jahren brachte auch Karlsruhe einen Verlust von
Arbeitsplätzen im produzierenden Gewerbe und eine
Zunahme bei den Dienstleistungen. Die Stadt setzte auf
die Chancen der neuen Technologien und richtete die
Technologiefabrik als Existenzgründerzentrum ein.
Zudem schuf man gemeinsam mit den umliegenden Städten
und Landkreisen die TechnologieRegion Karlsruhe zur
Stärkung der Region im internationalen Wettbewerb.
Natürliches Zentrum der Region ist mit ihrem
Arbeitsplatzangebot, ihrem differenzierten Angebot
an Ausbildungseinrichtungen und den aus der Zeit der
Residenz und Landeshauptstadt erhaltenen kulturellen
Institutionen die moderne Großstadt Karlsruhe.
Text: Stadtarchiv Karlsruhe,
Dr. Ernst Otto Bräunche / Dr. Manfred Koch
Karlsruher Stadtansicht. Kupferstich von Heinrich Schwarz 1721.
StadtAK 8/PBS XVI 18
Schloss, Gartenansicht, 1783.
StadtAK 8/PBS XIVa 455
Das 1822 eingeweihte Ständehaus.
StadtAK 8/PBS oXIVa 1239
Das Gebäude der Polytechnischen Schule an der Langen Straße.
StadtAK 8/PBS oXIVd 56
Ansicht von Karlsruhe 1897. Im Hintergrund rauchende Schornsteine.
StadtAK 8/PBS XIIIa 131
Quäkerspeisung in einer Karlsruher Schule, Foto Anfang der 1920er Jahre.
StadtAK 8/PBS oVI 216
Blick vom Rathausturm im Jahre 1945. Foto: Erich Bauer.
Die Fächerstadt Karlsruhe aus der Luft im Jahr 2002.
Foto: Bildstelle der Stadt Karlsruhe, Fränkle.