Karlsruhe: Stadtgeschichte
Nordstadt
zurück zur ÜbersichtLuftschutzbunker, Erzbergerstraße 81
Luftschutzbunker Erzbergerstraße 81, Entwurf: Paul Brömme, Sept. 1941, Südfassade, Foto: J. Kleinmanns, 2003
Die ersten Bombenangriffe der Royal Air Force auf Berlin im August und September 1940 führten am 8. Oktober 1940 zum "Luftschutz-Sofortprogramm" Adolf Hitlers. Es sah vor, alle 61 Luftschutzorte 1. Ordnung (Städte über 100.000 Einwohner mit Rüstungsindustrie, Militäranlagen oder strategischer Bedeutung) mit bombensicheren Luftschutzbunkern für insgesamt 10 Millionen Menschen auszustatten. Von diesem gigantischen Bauvorhaben waren bis Mai 1943 immerhin 3.000 Luftschutzbunker mit 1,5 Millionen Plätzen verwirklicht. Zwar zählte Karlsruhe nicht zu den 61 Städten 1. Ordnung, erhielt aber dennoch seit August 1941 elf Luftschutzbunker.
Es lassen sich in Karlsruhe zwei Bautypen unterscheiden: Hochbunker (Erzbergerstraße, Irisweg, Rheinhafenstraße) und Tiefbunker (Bernsteinstraße, Danziger Straße, Haselweg, Panoramaweg, Zeppelinstraße). Besondere Funktionen hatten der Operationsbunker der Landesfrauenklinik (Kaiserallee), der Bunker unter dem Bahnsteig 7 des Hauptbahnhofs und der Werksluftschutzbunker der damaligen Argus Motoren GmbH (Michelinstraße). Außerdem waren im Durlacher Steinbruch und entlang der Alb 13 Luftschutzstollen sowie im ganzen Stadtgebiet Hunderte von Luftschutzkellern angelegt worden. Trotzdem kamen in Karlsruhe 1.754 Zivilisten bei den Bombenangriffen ums Leben.
Die Planungen lagen in Karlsruhe beim Hochbauamt der Stadt in den Händen des Stadtbaumeisters Paul Brömme (1908-1964). Bemerkenswert ist die aufwändige Gestaltung der Karlsruher Hochbunker. Findet man in anderen Städten meist nur schlichte Betonwürfel, so fallen bei den Karlsruher Bunkern besondere Architekturdetails und plastischer Schmuck auf. Darüber hinaus finden sich Walmdächer, die allenfalls die Funktion haben konnten, die Bunker aus der Luft als Zivilbauten erscheinen zu lassen. Als "Zerschellerplatte" zur Milderung des Explosionsdrucks bei einem Treffer dürften die extrem dünn bemessenen Dachflächen kaum gewirkt haben.
Der Bunker in der Erzbergerstraße wurde nach Brömmes Entwurf sowohl für die Beschäftigten des benachbarten Flughafens als auch für die Bewohner der anschließenden Hardtwaldsiedlung erbaut. Alle Bauteile, auch das Dach, sind aus Stahlbeton. Die Außenwände messen 2,00 m, die obere Geschossdecke nur 1,40 m. Diese geringe Deckenstärke war bereits im Juli 1941 in Bremen von einer englischen 110-kg-Sprengbombe durchschlagen worden. Die ab 1942 über Karlsruhe abgeworfenen Bomben hatten schon weit größere Sprengkraft.
Flur, Foto: J. Kleinmanns, 2005
Der eigentliche Bunker hat einen rechteckigen Grundriss (42,50 x 14,50 m), an den sich im Südosten ein Anbau für die Erschließung des Daches mit einer U-förmig gewendelten Treppe anschließt. Im Nordosten birgt ein flacher Anbau die Luftfilter, Heiz- und Koksraum. Die Ecken des Sichtbetonbauwerks mit kräftigen Lisenen aus Sandsteinquadern assoziieren Stabilität. Das Erdgeschoss zieren Blendbögen mit Sandsteinpfeilern. Im Obergeschoss finden sich über jedem Bogen rechteckige Blendfenster mit vorstehenden Sandsteingewänden. Das Traufgesims ruht auf massiven Betonkonsolen. Fledermausgauben belichten den Dachraum.Der Eingang im Südosten wird durch den vorgebauten Betonschild des Treppenturmes geschützt, der Notausgang im Westen liegt unter Gelände im Keller. Das Innere bot in Keller-, Erd- und Obergeschoss etwa 1.000 Personen Platz. Die Erschließung erfolgt über zwei Treppenhäuser an den Schmalseiten. Dazwischen reihen sich an einem Flur beidseitig 2,10 x 3,10 m große Schutzzellen, ehemals mit Etagenbetten und Sitzbänken eingerichtet. An den Enden der Flure sind Waschräume und WC-Anlagen getrennt für Männer und Frauen untergebracht.
Die Alarmierung der Bevölkerung erfolgte durch Sirenensignal. Die Bunkerplätze waren mit Platzkarten an "Stammgäste" vergeben. Passanten fanden in den Vorräumen und Treppenhäusern Schutz. Zutritt hatten aber nur Deutsche, keine Kriegsgefangenen oder Fremdarbeiter. Die Aufsicht führte der Bunkerwart mit Ordnungskräften. Luftschutzbunker waren bei Angriffen bis zu 2,5-fach überbelegt, die hygienischen Zustände trotz Waschräumen und Toiletten mit Wasserspülung katastrophal. Oft mussten Fremdarbeiter die Reinigung übernehmen.
Heute wird der funktionstüchtige Bunker als Schlagzeugschule und Lagerraum genutzt. Er ist Baudenkmal aus wissenschaftlichen, insbesondere historischen und architekturgeschichtlichen Gründen.
Text: Dr. Joachim Kleinmanns, Universität Karlsruhe