Karlsruhe: Stadtgeschichte
Rappenwört
zurück zur ÜbersichtDas Rheinstrandbad Rappenwört
Hermann-Schneider-Allee 50-54, Daxlanden
Bauhistorische Situation
Das Rheinstrandbad auf der Rheinaueninsel im Westen der Stadt Karlsruhe ist ein beliebtes Ausflugsziel der Karlsruher Bevölkerung.Im Sinne einer sozialen Stadtplanung als Reaktion auf die untragbaren Zustände der innerstädtischen Wohnviertel nach dem Ersten Weltkrieg hatte der Karlsruher Baubürgermeister Herrmann Schneider (1881 - 1963) gegen erheblichen politischen Widerstand einen Generalbebauungsplan für die Stadt Karlsruhe durchgesetzt. Mit diesem Plan von 1926 reiht sich Karlsruhe in die Reihe der städtebaulichen Großplanungen der Zwanziger Jahre ein, wie sie auch in Frankfurt am Main von Ernst May oder in Berlin durch Stadtbaurat Martin Wagner realisiert wurden. Die Forderungen des Neuen Bauens nach "Licht, Luft und Sonne" für die großstädtische Bevölkerung führten einerseits zu bedeutenden Siedlungsplanungen wie der Dammerstocksiedlung, mit der der prominente Architekt Walter Gropius in Karlsruhe Baugeschichte schrieb, andererseits zur Aufwertung des städtischen Umfelds. Die Idee Herrmann Schneiders, die Insel Rappenwört als "Rheinpark" für die Karlsruher Bevölkerung als Naherholungsgebiet zu erschließen, entsprach den Volksparkideen der Zwanziger Jahre, die Teil der fortschrittlichen Sozial- und Wohnungsbaupolitik der Weimarer Republik waren.
Lage und Gebäude
Das Rheinstrandbad war Mittelpunkt der Neuerschließung der westlich von Daxlanden gelegenen Rheininsel Rappenwört, zu der auch der Flachbau der Vogelwarte Rappenwört zählt.Die weitläufige Freibad- und Sportanlage des Rheinstrandbades gruppiert sich symmetrisch um das ursprüngliche Badebecken mit Sandstrand, das sichelförmig vom Rhein abgezweigt ist. Die baulichen Anlagen bestehen aus einem zweigeschossigen, zentralen Gaststättengebäude, das flankiert wird durch zwei flache, symmetrisch angeordnete Umkleidebauten für Damen und Herren. Die Gebäude und die sie umgebenden Sportanlagen, die zur aktiven Gestaltung der Freizeit anregen sollten, entstanden 1928-29 auf der Grundlage von Vorplanungen des Stadtbaurats Karl Pflästerer (1888-1962). Für den Entwurf der Hochbauten war der Architekt Robert Amann (1881-1954) vom Städtischen Hochbauamt verantwortlich.
Formensprache
Bei der Architektur des Rheinstrandbades wird sichtbar, wie tiefgreifend der Wettbewerb für die Siedlung Dammerstock die Formensprache der Karlsruher Planerschaft beeinflusst hat. Die Gebäude des Rheinstrandbads sind der avantgardistischen Formensprache des "Neuen Bauens" verpflichtet: Flachdächer, Fensterbänder und glatte Putzflächen orientieren sich an den Gestaltungsvorgaben, die Walter Gropius, damals Direktor des Bauhauses in Dessau, für alle Gebäude der Dammerstocksiedlung festgeschrieben hatte. An den Umkleidehallen, die um ehemals offene Gymnastikhöfe angeordnet sind, findet sich sogar die Verwendung von Sichtbeton. Das achsensymmetrische Ordnungsprinzip innerhalb des Strandbades, das Karl Pflästerer im Generalbebauungsplan Hermann Schneiders vorsieht, wurde während der gesamten Planungsphase nie aufgegeben. Es beruht auf dem traditionellen Schema der Flussbäder, deren symmetrischer Aufbau sich aus den separaten Badebereichen für Männer und Frauen ergab.Nutzungsgeschichte
Das Rheinstrandbad ist heute ein mit dem öffentlichen Nahverkehr gut erreichbares Ziel im Westen Karlsruhes. Die baulichen Anlagen der Schwimmbecken und der Gebäude wurden der derzeitigen Nutzung als Sport- und Freizeitbad und den zusätzlichen Anforderungen durch Sportbecken auf dem ehemaligen Sportplatz angepasst. Die ursprünglich offenen Höfe der Umkleideanlagen sind heute überdacht, und der Eingangsbereich wurde neu gestaltet. All diese Maßnahmen negieren das ursprünglich symmetrische Konzept der Anlage und haben zum Verlust an originaler Bausubstanz geführt. Besonders zu bedauern ist die Aufgabe des sichelförmigen Schwimmbeckens am Rhein.Dennoch beweist die Beliebtheit der Schwimm- und Freizeitanlage mit seiner naturnahen Lage in den Rheinauen und seiner Ausrichtung am Fluss die Aktualität der Grünraumplanungen von Herrmann Schneider.
Literatur
Birgit Oesterle, Strandbad und Vogelwarte im Rheinpark Rappenwört: Anlagen des Neuen Bauens in Karlsruhe, Magisterarbeit am Institut für Kunstgeschichte, Universität Karlsruhe 1994.
Karl Pflästerer, Das Karlsruher Rheinstrandbad Rappenwört und der Rheinpark, in: Die Bauzeitung, Bd. 40.1930, H.5, S. 52-54.
Harald Ringler, Die Karlsruher Akteure des Projekts Dammerstock. Politiker, Stadtplaner, Architekten, in: Brigitte Franzen u. a., Neues Bauen der 20er Jahre. Gropius, Haesler, Schwitters und die Dammerstocksiedlung in Karlsruhe, Karlsruhe 1997, S.49-68.
Hermann Schneider, Generalbebauungsplan der Landeshauptstadt Karlsruhe in Baden, Karlsruhe 1927.
Hermann Schneider, Die Grünpolitik im Karlsruher Generalbebauungsplan. Der Rheinpark Rappenwört, Karlsruhe 1927.
Text: Christiane Weber