Karlsruhe: Stadtgeschichte
Ehrenfeld für die Opfer der Euthanasiemorde mit der Skulptur "Tor der Schmerzen", Gedenkstein und Informationsstele
Hauptfriedhof, Feld B2
Das Ehrenfeld, Aufnahme Arthur Mehlstäubler 2016 (Stadtarchiv Karlsruhe 11/DigA 43/118a DO)
Im Rahmen der von Januar 1940 bis August 1941 reichsweit durchgeführten "Euthanasie"-Aktion wurden mehr als 70.000 seelisch kranke und behinderte Menschen als "lebensunwertes Leben" in sechs Vernichtungsanstalten ermordet. Beauftragt wurde dieser Massenmord von Adolf Hitler. In den folgenden Jahren wurden zahlreiche Menschen in psychiatrischen und Pflegeeinrichtungen dezentral getötet. Aus Karlsruhe sind bisher 372 Opfer namentlich bekannt. Fast alle von ihnen wurden in den Tötungsanstalten Grafeneck (Württemberg) und Hadamar (Hessen) ermordet. Die Gesamtzahl der Karlsruher Opfer lag aber deutlich höher, da bisher nicht alle Quellen, insbesondere zu den späteren dezentralen Morden, ausgewertet werden konnten.
Um die Morde vor den Angehörigen zu verschleiern, wurden ihnen falsche Todesursachen, Todesorte und -tage mitgeteilt. Die Urnen enthielten auch nicht die Asche der Genannten.
Skulptur "Tor der Schmerzen" (1964), Aufnahme Arthur Mehlstäubler 2016 (Stadtarchiv Karlsruhe 11/DigA 43/118 DO)
Die Urnen mit der Asche der Karlsruher Opfer der "Euthanasie" wurden ursprünglich entweder in Familiengräbern oder auf Gräberfeldern beigesetzt. 1961, kurz vor Ablaufen der Liegefrist der Urnengräber, wandte sich ein Angehöriger mit der Bitte an die Stadt Karlsruhe, das Grab weiter zu erhalten. Daraufhin wurde 1962 das Ehrenfeld für die Opfer der "Euthanasie" angelegt. Dort war schon zuvor die Mehrzahl der Urnen beigesetzt worden, hinzu kamen nun zahlreiche Urnen, die bis dahin in Familiengräbern beigesetzt waren. Insgesamt befinden sich auf dem Ehrenfeld 290 Urnen.
1964 wurden auf dem Ehrenfeld eine Skulptur und ein Gedenkstein aus Muschelkalk für die Opfer aufgestellt, beides Werke nach Entwürfen des Karlsruher Bildhauers Carl Egler (1896-1982). Die überlebensgroße Skulptur aus Muschelkalk (Höhe 235 cm, Breite 175 cm, Tiefe 74 cm) zeigt ein trauerndes Paar, das ein "Tor der Schmerzen" bildet. Ausgeführt wurde die Skulptur von Hans Schoch.
Gedenkstein für die Opfer (1964), Aufnahme Arthur Mehlstäubler 2016 (Stadtarchiv Karlsruhe 11/DigA 43/118c DO)
Seit 2016 informiert eine Stele über das Ehrenfeld, der Text auf
der Stele lautet:
GEGEN DIE MACHT DES VERGESSENS / Mindestens 250.000 seelisch
kranke und behinderte / Menschen wurden 1940 - 1945 im damaligen
/ Deutschen Reich ermordet. In psychiatrischen Anstalten /
wählten Ärzte sie wegen ihrer geringen Arbeitsleistung / und
Nützlichkeit aus. Inzwischen wissen wir: / mindestens 450 davon
waren Karlsruherinnen und / Karlsruher; die meisten wurden 1940
- 1941 in den / Vernichtungsanstalten Grafeneck und Hadamar /
umgebracht. / Das Ziel war Kostenersparnis und ein "gesunder /
Volkskörper". / 1941 - 1945 ging die "Vernichtung lebensunwerten
/ Lebens" weiter mit geplantem Sterben durch Verhungern / und
durch menschenverachtende Experimente. / All dies wurde lange
verschwiegen.
Zur Geschichte der Ehrenanlage B 2 / Die Asche der im Rahmen der "Euthanasie-Aktion" T4 / ermordeten Patientinnen und Patienten wurde an die / Friedhöfe der Heimatorte geschickt. In Karlsruhe wurden / die Urnen 1962 auf dem Ehrenfeld B 2 zusammengeführt. / 1964 wurden auf dem Ehrenfeld das Mahnmal / "Tor der Schmerzen" sowie wenige Meter / davon entfernt ein Gedenkstein mit der Inschrift / DU SOLLST NICHT TÖTEN / 1933 1945 / HIER RUHEN 289 OPFER DES UNRECHTS / nach Entwürfen von Carl Egler errichtet. / Inzwischen wissen wir, dass noch mehr Karlsruherinnen / und Karlsruher umgebracht wurden. Diese Ehrenanlage / gilt auch ihrem Gedenken.
Beim Ehrenfeld findet jährlich am Totensonntag die Gedenkveranstaltung für die Opfer des Faschismus statt, die von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) ausgerichtet wird und an der sich bis zu 20 Organisationen beteiligen.
Weiterführende Informationen
Texte zu den Ereignissen und eine Liste der Karlsruher Opfer, soweit sie bisher ermittelt werden konnten, enthält das Buch: Gegen die Macht des Vergessens. Gedenkbuch für die Karlsruher Euthanasie-Opfer der Aktion T4. Herausgegeben von der DGSP-Gruppe Karlsruhe und dem Stadtarchiv Karlsruhe durch Maria Rave-Schwank. Karlsruhe, Bretten 2020.
Einen ersten knappen Überblick bietet:
Volker Steck: Nationalsozialismus und "lebensunwertes Leben" -
Karlsruher Aspekte, in: Blick in die Geschichte 97 (14. Dezember
2012).
Artikel im Stadtlexikon zur Skulptur "Tor der Schmerzen"