Karlsruhe: Stadtgeschichte
Blick in die Geschichte Nr. 62 vom 19. März 2004
Carlsruher Blickpunkte
Eine Bärenhöhle im Schlossgarten?
von Gerhard Kabierske
Kinder verspüren den märchenhaften Reiz des Ortes anscheinend unmittelbar: "Waren da Bären drin?" Mit dieser Frage dürften ratlose Eltern öfters konfrontiert werden, wenn sie sich auf einem Spaziergang mit ihrem Nachwuchs vor den von Felsbrocken gerahmten Zugang zu diesem dunklen, grottenartigen Raum verirren. Oder ist es vielleicht doch eher das Schlupfloch in einen unterirdischen Gang? Das Gitter, das den Eintritt verwehrt, lässt der Phantasie freien Lauf.Selbst manchen "alten" Karlsruhern wird diese Stelle im westlichen Schlossgarten nahe dem Linkenheimer Tor unbekannt sein. Im Sommer zwischen dem Grün der dichten Vegetation kaum zu erkennen, führen hinter den Gewächshäusern des Botanischen Gartens kleine Pfade zu einer separaten Parkecke. Treppenstufen geleiten hinab in eine Vertiefung, durch die sich ein seit Jahrzehnten leider trockener Bachlauf schlängelt. Er wurde früher von einem Wasserfall gespeist, der einer Felswand auf der Ostseite dieses künstlich gegrabenen "Tales" entsprang. Gegen Westen zieht schließlich die genannte Grotte mit ihren von Efeu überwachsenen Felsformationen den Spaziergänger in den Bann, auch wenn die kleine malerische Anlage schon bessere Tage gesehen hat und heute wenig gepflegt erscheint.
Nimmt man die Kinderfragen ernst und möchte selbst Näheres
wissen, so stößt man zunächst bald an Grenzen, gibt es doch
immer noch keine umfassende Publikation zur Geschichte der
Gärten in Karlsruhe, für die die Stadt ja eigentlich bekannt
ist. Erst abgelegene Literatur und Archivalien lassen das
verwunschene Tal mit seiner Staffage als Rest einer
interessanten Anlage erkennen, mit der unter Markgraf Karl
Friedrich und seiner kunstsinnigen Gemahlin Karoline Luise
zwischen 1767 und 1773 der bis dahin noch streng gegliederte
barocke Schlossgarten im westlichen Bereich pittoresk
umgestaltet wurde. Nach Plänen des Hofgärtners Philipp
Ludwig Müller und mit vermutlicher Beteiligung des
Hofbauamts unter Friedrich von Kesslau oder dem jungen
Architekten Wilhelm Jeremias Müller entstand hier ein
"Chinesischer Garten", der in seiner neuartigen naturnahen
Gestaltung bemerkenswert früh aktuelle Tendenzen einer
Gartengestaltung zeigt, die schließlich zum Landschaftspark
nach englischem Vorbild führen sollten.
Zentrum dieses Gartenteils bildete ehemals ein über dem
westlichen Rand der Vertiefung gelegenes, reich
ausgestattetes Gartenhaus "à la Chinoise", von dessen
Terrasse aus sich die Herrschaften an der grotesken Szenerie
im Tal "mit zahmen Störchen, türkischen Gänsen und Enten und
anderen Tieren" ergötzen konnten. Unsere "Höhle" -
ursprünglich gab es, wie eine Lithografie der Zeit um 1830
zeigt, links davon sogar noch ein Pendant - diente dabei als
theatralisch inszenierter Durchgang. Durch ihr Dunkel
hindurch führte ein schmaler Weg, der über eine offene, von
Felsen gesäumte Treppe hinauf die Verbindung zum Pavillon
herstellte. Der Beginn dieses Aufgangs ist als zugemauerte
Nische auf der Rückseite des runden, überwölbten
Grottenraums noch zu erkennen, in den früher zudem durch
eine Öffnung von oben Tageslicht einfiel.
Die zweite Grotte musste wohl schon in den 1850er Jahren dem
Neubau der Gewächshäuser des Botanischen Gartens weichen,
die mit ihrer geschlossenen Nordwand dem Tal nahe rückten.
Das Gartenhaus selbst wurde 1863 bei einem Sturm von einem
umstürzenden Baum beschädigt und danach abgetragen. Nur
kurz, während der Bundesgartenschau 1967, stand an seiner
Stelle ein von der Architektin Hilde Axter-Trappmann
entworfenes temporäres Café, das als leichte
Zeltkonstruktion die Form des früheren Gebäudes geistreich
aufnahm.
Dr. Gerhard Kabierske, Südwestdeutsches Archiv für
Architektur und Ingenieurbau