Karlsruhe: Stadtgeschichte
Blick in die Geschichte Nr. 89 vom 23. Dezember 2010
Neue Erkenntnisse aus dem Kirchenbuch
Das Geburtshaus von Carl Benz in Mühlburg
von Peter Pretsch
Im Vorfeld des 125. Jahrestags der Erfindung des
Automobils, der 2011 mit vielen Veranstaltungen und
Ausstellungen in Baden-Württemberg gefeiert wird, sah
sich der Verfasser veranlasst, zum Lebensweg von Carl Benz
erneut zu recherchieren. Nachdem über Jahrzehnte
vergebens nach dem Geburtshaus des genialen Erfinders
gesucht wurde, - selbst Carl Benz wusste nicht, in welchem
Haus er geboren wurde -, kann als Ergebnis der Recherche
in dieser Hinsicht durchaus Neues und Wegweisendes
berichtet werden.
Niemand hat sich nämlich bis jetzt die Mühe gemacht, den
Geburtseintrag von Carl Benz im Mühlburger Kirchenbuch
von 1844 genau zur Kenntnis zu nehmen und daraus
entsprechende Schlussfolgerungen zu ziehen. Danach
war "Karl Friedrich Michael Wailand" am 25. November 1844
in Mühlburg als "uneheliches Kind der Josephine Wailand"
geboren worden. Als Taufzeugen wurden aufgeführt: "Michael
Kramer, hiesiger Bürger, Gastwirth und Bierbrauer, Karl
Axtmann, Bürger und Schuhmachermeister in Karlsruhe".
Die mittellose Halbwaise musste sich später eine Dienststelle suchen und kam so nach Mühlburg. Hier lernte sie vermutlich auch ihren späteren Ehemann kennen, der als Lokomotivführer bei der badischen Eisenbahn beruflich gerade erst Fuß gefasst hatte und nicht so schnell eine Familie gründen und heiraten konnte. Nachdem die kleine Familie dann durch die Heirat legalisiert war, spielte ihr das Schicksal übel mit, denn Johann Georg Benz zog sich auf dem damals noch offenen Führerstand seiner Lokomotive eine Lungenentzündung zu, an der er im Sommer 1846 verstarb. Später vergab seine Witwe dann in Karlsruhe Kost und Logis an Studenten des Polytechnikums, um das Studium ihres Sohnes Carl finanzieren zu können.
Doch wo hat Josephine Benz, geb. Vaillant, vor der Geburt ihres Kindes gewohnt und gearbeitet? Der Geburtseintrag im Kirchenbuch gibt m. E. den entscheidenden Hinweis. Der Mühlburger Gastwirt und Bierbrauer Michael Kramer muss ihr Dienstherr gewesen sein! Warum sonst sollte er als einer der beiden Taufzeugen an erster Stelle aufgeführt sein? Der zweite Taufzeuge war ja aus Karlsruhe und vielleicht ein Freund der Familie. Und die Mutter des Erfinders gebar ihr Kind zu jener Zeit sicher nicht im Krankenhaus, sondern zuhause und ihr Zuhause war in diesem Fall bestimmt das Domizil ihres Dienstherrn. Gewöhnlich wohnte damals das Dienstpersonal beim Dienstherrn in einer Kammer unter dem Dach. Die "Herrschaft" hatte sich um Kost und Logis und das Wohl seines Personals auch im Krankheitsfalle zu kümmern, wie man in der badischen Gesindeordnung von 1809 nachlesen kann.
In den Grundbüchern von Mühlburg wird Michael Kramer seit 1841 als Besitzer einer Brauerei und des zweistöckigen und aus Stein erbauten Gasthauses zum Weinberg an der Hauptstraße nach Karlsruhe aufgeführt. Die Liegenschaft Kramers wurde 1850 an Maurermeister Simon Pfeifer zwangsversteigert. Simon und seine Nachfolger Ferdinand und Eduard Pfeifer führten das Gasthaus zunächst unter seinem alten Namen und seit 1862 unter dem Namen "Stadt Karlsruhe" weiter. In einer Akte des Bauordnungsamts im Stadtarchiv Karlsruhe zur "Stadt Karlsruhe", Rheinstr. 22, wird auf die vormalige "Brauerei Pfeifer" Bezug genommen und 1896 der Besitzwechsel an den Brauer Wilhelm Dieffenbacher aufgeführt.
Das Gasthaus "Stadt Karlsruhe" in der Rheinstraße 22 ist also allem Anschein nach das Geburtshaus von Carl Benz gewesen. Das Gebäude fiel Ende der 1950er Jahre der Verbreiterung der Rheinstraße zum Opfer. In einem Bericht der Baubehörde von 1957 wird der baufällige Zustand des Hauses beklagt und der Wirt aufgefordert, den Betrieb der Wirtschaft sofort einzustellen, zumal sie zum Abriss vorgesehen sei. Tatsächlich ist auch von zwei Kammern unter dem Dach die Rede, die damals sogar noch bewohnt waren.
Die "Stadt Karlsruhe" stand im Fußgänger- und Straßenbereich vor dem heutigen Kaufhaus Woolworth. Hier könnte künftig eine Gedenktafel aufgestellt werden, die an den Standort des Gasthauses und die - wenn auch nicht ganz zweifelsfrei erschlossene - Geburtsstätte von Carl Benz erinnert. Diese hätte dort sicherlich eher eine Berechtigung als die alte Gedenktafel am ehemaligen Mühlburger Rathaus, die der Bürgerverein Mühlburg 1933 zum Gedenken an den Erfinder dort anbrachte, da man keinen geeigneteren Ort im Stadtteil dafür fand.
Dr. Peter Pretsch, Leiter des Stadtmuseums im PrinzMaxPalais
Schattenriss Josephine und Johann Georg Benz.
Gasthaus "Stadt Karlsruhe" in der Rheinstraße, 1950er Jahre. StadtAK 8/Alben 174, 226