Karlsruhe: Stadtgeschichte
Blick in die Geschichte Nr. 84 vom 18. September 2009
Neue Geschichtsquellen im
Stadtarchiv
Der deutsch-französische Krieg 1870/71 im Spiegel der Sterbebücher
von Ernst Otto Bräunche
"Der Karl Beck, gebürtig aus Karlsruhe, Amts Carlsruhe,
katholischer Confession, 17 Jahre alt, welcher zuletzt als
Portepeefähnrich bei der 6. Compagnie des Großherzoglich
Badischen II. Grenadierregimentes gestanden und 1/2 Jahr
gedient hat, ist am 19. Dezember 1870 in das Großherzoglich
Badische Feldlazarett zu Dijon aufgenommen worden und darin
am 29. Januar 1871 an den Folgen eines Schusses durch die
linke Fußwurzel gestorben". Diesen Eintrag findet man
zusammen mit vier ähnlichen Eintragungen im Karlsruher
Sterbebuch Mitte April 1871. Es hatte fast zweieinhalb
Monate gedauert, bis die amtliche Mitteilung im Karlsruher
Standesamt angekommen und der am 30. Januar in Dijon
ausgestellte Totenschein für Karl Beck in das Sterbebuch
eingetragen worden war. Der Standesbeamte, der den Eintrag
vornahm, war kein Geringerer als Oberbürgermeister Wilhelm
Florentin Lauter, denn seit dem 1. Februar 1870 waren in
Baden die jeweiligen Bürgermeister bzw. Oberbürgermeister
als Standesbeamte eingesetzt. Zuvor oblag diese Aufgabe den
jeweiligen Pfarrern, die diese seit 1809 als Beamte des
bürgerlichen Standes ausführten.
Dass die bis vor kurzem noch ausschließlich in den Standesämtern selbst aufbewahrten Personenstandsbücher - Geburten-, Heirats- und Sterbebücher - nun auch für die Forschung zur Verfügung stehen, ist dem am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen neuen Personenstandsgesetz zu verdanken. Es ermöglicht erstmals die Übernahme dieser außerordentlich wertvollen historischen Unterlagen in die zuständigen Kommunalarchive. Dort stehen die nach genau geregelten Fristen freigegebenen Dokumente, die Sterbebücher z. B. bis zum Jahr 1978, für die Auswertung durch Familienforscher und Wissenschaft zu Verfügung.
Als der Karlsruher Portepeefähnrich Karl Beck am 29. Januar 1871 starb, war gerade der Waffenstillstand zwischen Deutschland und Frankreich ausgehandelt worden, der die Kriegshandlungen zwischen beiden Ländern beendete. Der deutsche Sieg hatte den Weg zur Gründung des Deutschen Reiches am 18. Januar 1871 frei gemacht, dessen Konstituierung auch in Baden und Karlsruhe begrüßt und gefeiert wurde. Zu dem Sieg hatten auch die Truppen des Großherzogtums Baden - insgesamt knapp 12.000 Soldaten - an der Seite der Truppen des Norddeutschen Bundes unter preußischer Führung beigetragen. Nach der innerhalb einer Woche am 23. Juli 1870 abgeschlossenen Mobilmachung hatten die Badener aber nicht sofort eingegriffen. Die auch in Karlsruhe viel bejubelten ersten Siege bei Weißenburg am 4. und bei Wörth am 6. August 1870 wurden von preußischen Truppen errungen. So füllten sich die Krankenhäuser und Lazarette der in der Nähe des Kriegschauplatzes im Elsass gelegenen badischen Hauptstadt zunächst mit verwundeten preußischen und französischen Soldaten. Der erste Soldat, der nach seiner Einlieferung in Karlsruhe am 11. August verstarb, war der 30-jährige preußischer Füsilier Johann Gabrisiak aus Rabizyn (heute Rabczyn) im Kreis Adelnau. Ihm sollten bis zum Ende des Krieges noch 131 weitere preußische Soldaten und Offiziere folgen, die in Lazaretten z. T. noch Wochen nach Beendigung der Kampfhandlungen Ende Januar 1871 ihren Verletzungen erlagen. Die zweitgrößte Zahl gefallener Soldaten, deren Tod in den Karlsruher Sterbebüchern beurkundet ist, hatte die französische Armee mit 81 zu beklagen. An dritter Stelle folgten die badischen Truppen mit 67, unter ihnen der eingangs aufgeführte Karl Beck. Besonders in der Schlacht bei Nuits, in der auch Karl Beck verwundet wurde, fielen zahlreiche Badener, insgesamt ließen dort 54 Offiziere und 800 Soldaten ihr Leben. Die verwundeten Soldaten wurden mit dem badischen Lazarettzug von Epinal in den Vogesen nach Karlsruhe transportiert. Dieser Lazarettzug, der vom 26. Dezember bis zum 13. Januar 1871 viermal pendelte, brachte auch die Leichen der bei Nuits gefallenen badischen Offiziere nach Karlsruhe, für die am 31. Januar 1871 im fürstlichen Wartesaal des Bahnhofs vor der Überführung auf den Hauptfriedhof eine Trauerfeier stattfand.
Wenn auch nur die in Karlsruhe ansässigen oder in Karlsruher Lazaretten verstorbenen 1870/71 gefallenen 311 Soldaten in den Sterbebüchern verzeichnet sind, so vermitteln diese Einträge doch einen Einblick in die Dimension des Krieges, der rund 184.000 Menschenleben kostete. In der Regel waren dies junge Männer zwischen 20 und 30 Jahren, die aus ihren Familien herausgerissen wurden. Das damit verbundene Leid konnte allerdings nicht verhindern, dass es im 20. Jahrhundert zu zwei weiteren Kriegen zwischen Deutschland und Frankreich mit weltweiten Auswirkungen kam, von denen jeder den Vorausgegangenen an Brutalität und Unmenschlichkeit übertraf mit einer bis dahin nicht für möglich gehaltenen Zahl an Todesopfern. An die Gefallenen des Deutsch-Französischen Krieges erinnern heute noch u. a. auf dem Alten Friedhof das Kriegerdenkmal der Stadt Karlsruhe und das Grabdenkmal für die 1870 /71 an Kriegsfolgen gestorbenen französischen Soldaten.
Wie am Beispiel der Sterbebücher belegt, bilden die Personenstandsbücher also nicht nur für Genealogen, sondern auch für die historische Forschung eine wichtige Quelle z. B. bei prosopografischen, militärgeschichtlichen oder migratonsgeschichtlichen Fragestellungen. Sie sind im Stadtarchiv seit Jahresbeginn zugänglich und jedes Jahr kommt künftig ein weiterer Jahrgang hinzu.
Dr. Ernst Otto Bräunche, Leiter Stadtarchiv & Historische Museen
Dass die bis vor kurzem noch ausschließlich in den Standesämtern selbst aufbewahrten Personenstandsbücher - Geburten-, Heirats- und Sterbebücher - nun auch für die Forschung zur Verfügung stehen, ist dem am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen neuen Personenstandsgesetz zu verdanken. Es ermöglicht erstmals die Übernahme dieser außerordentlich wertvollen historischen Unterlagen in die zuständigen Kommunalarchive. Dort stehen die nach genau geregelten Fristen freigegebenen Dokumente, die Sterbebücher z. B. bis zum Jahr 1978, für die Auswertung durch Familienforscher und Wissenschaft zu Verfügung.
Als der Karlsruher Portepeefähnrich Karl Beck am 29. Januar 1871 starb, war gerade der Waffenstillstand zwischen Deutschland und Frankreich ausgehandelt worden, der die Kriegshandlungen zwischen beiden Ländern beendete. Der deutsche Sieg hatte den Weg zur Gründung des Deutschen Reiches am 18. Januar 1871 frei gemacht, dessen Konstituierung auch in Baden und Karlsruhe begrüßt und gefeiert wurde. Zu dem Sieg hatten auch die Truppen des Großherzogtums Baden - insgesamt knapp 12.000 Soldaten - an der Seite der Truppen des Norddeutschen Bundes unter preußischer Führung beigetragen. Nach der innerhalb einer Woche am 23. Juli 1870 abgeschlossenen Mobilmachung hatten die Badener aber nicht sofort eingegriffen. Die auch in Karlsruhe viel bejubelten ersten Siege bei Weißenburg am 4. und bei Wörth am 6. August 1870 wurden von preußischen Truppen errungen. So füllten sich die Krankenhäuser und Lazarette der in der Nähe des Kriegschauplatzes im Elsass gelegenen badischen Hauptstadt zunächst mit verwundeten preußischen und französischen Soldaten. Der erste Soldat, der nach seiner Einlieferung in Karlsruhe am 11. August verstarb, war der 30-jährige preußischer Füsilier Johann Gabrisiak aus Rabizyn (heute Rabczyn) im Kreis Adelnau. Ihm sollten bis zum Ende des Krieges noch 131 weitere preußische Soldaten und Offiziere folgen, die in Lazaretten z. T. noch Wochen nach Beendigung der Kampfhandlungen Ende Januar 1871 ihren Verletzungen erlagen. Die zweitgrößte Zahl gefallener Soldaten, deren Tod in den Karlsruher Sterbebüchern beurkundet ist, hatte die französische Armee mit 81 zu beklagen. An dritter Stelle folgten die badischen Truppen mit 67, unter ihnen der eingangs aufgeführte Karl Beck. Besonders in der Schlacht bei Nuits, in der auch Karl Beck verwundet wurde, fielen zahlreiche Badener, insgesamt ließen dort 54 Offiziere und 800 Soldaten ihr Leben. Die verwundeten Soldaten wurden mit dem badischen Lazarettzug von Epinal in den Vogesen nach Karlsruhe transportiert. Dieser Lazarettzug, der vom 26. Dezember bis zum 13. Januar 1871 viermal pendelte, brachte auch die Leichen der bei Nuits gefallenen badischen Offiziere nach Karlsruhe, für die am 31. Januar 1871 im fürstlichen Wartesaal des Bahnhofs vor der Überführung auf den Hauptfriedhof eine Trauerfeier stattfand.
Wenn auch nur die in Karlsruhe ansässigen oder in Karlsruher Lazaretten verstorbenen 1870/71 gefallenen 311 Soldaten in den Sterbebüchern verzeichnet sind, so vermitteln diese Einträge doch einen Einblick in die Dimension des Krieges, der rund 184.000 Menschenleben kostete. In der Regel waren dies junge Männer zwischen 20 und 30 Jahren, die aus ihren Familien herausgerissen wurden. Das damit verbundene Leid konnte allerdings nicht verhindern, dass es im 20. Jahrhundert zu zwei weiteren Kriegen zwischen Deutschland und Frankreich mit weltweiten Auswirkungen kam, von denen jeder den Vorausgegangenen an Brutalität und Unmenschlichkeit übertraf mit einer bis dahin nicht für möglich gehaltenen Zahl an Todesopfern. An die Gefallenen des Deutsch-Französischen Krieges erinnern heute noch u. a. auf dem Alten Friedhof das Kriegerdenkmal der Stadt Karlsruhe und das Grabdenkmal für die 1870 /71 an Kriegsfolgen gestorbenen französischen Soldaten.
Wie am Beispiel der Sterbebücher belegt, bilden die Personenstandsbücher also nicht nur für Genealogen, sondern auch für die historische Forschung eine wichtige Quelle z. B. bei prosopografischen, militärgeschichtlichen oder migratonsgeschichtlichen Fragestellungen. Sie sind im Stadtarchiv seit Jahresbeginn zugänglich und jedes Jahr kommt künftig ein weiterer Jahrgang hinzu.
Dr. Ernst Otto Bräunche, Leiter Stadtarchiv & Historische Museen
Badische Truppen in der Schlacht bei Nuits am 18. Dezember 1871 mit Prinz Wilhelm v. Baden und Generalleutnant v. Glümer. Lithographie eines Gemäldes von Gustav Bartsch, Stadtarchiv Karlsruhe