Karlsruhe: Städtische Galerie
Skulpturen aus der Sammlung
Spannende Begegnungen mit unterschiedlichen Positionen der Bildhauerei und Objektkunst im 20. und 21. Jahrhundert vermittelt die Ausstellung "Skulpturen aus der Sammlung" mit Werken aus dem eigenen Bestand und der renommierten Sammlung Garnatz, die sich seit 1996 als Dauerleihgabe in der Städtischen Galerie Karlsruhe befindet. Das vielgestaltige Spektrum der Schau mit etwa 100 Exponaten lässt signifikante Entwicklungslinien der Plastik in Deutschland vom späten 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart anschaulich werden. Der Hauptakzent liegt dabei auf der Zeit von den 1960er-Jahren bis heute. Gegliedert nach chronologischen und thematischen Aspekten führt der Ausstellungsparcours durch sieben Abteilungen. Sie schlagen einen Bogen von figürlich-organischen Bildwerken zu konstruktiv-architektonischen Formen und schließen auch konzeptionelle Tendenzen sowie Skulpturen aus gefundenen Gegenständen mit ein. Vertreten sind mehr als 70 international und national renommierte sowie aus dem deutschen Südwesten stammende Künstler und Künstlerinnen. Ihre Arbeiten geben in einer Vielzahl von Techniken und Materialien einen an Facetten und Querverbindungen reichen Einblick in den Skulpturenbestand des Museums. Ein großer Teil der ausgestellten Bildwerke ist bislang wenig oder noch gar nicht präsentiert worden, dazu zählen auch einige herausragende Neuerwerbungen der jüngeren Zeit.
Der Rundgang durch die Ausstellung beginnt mit einem Überblick zur "Bildhauerei in Karlsruhe 1890 - 1930". Dem Sammlungsschwerpunkt des Museums für die Zeit vor 1945 entsprechend konzentriert sich die Auswahl der Exponate auf die damals an der hiesigen Kunstakademie lehrenden bzw. in der Fächerstadt arbeitenden Künstler. Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert war Hermann Volz die prägende Bildhauerpersönlichkeit in Baden, die meisten der vor und nach dem Ersten Weltkrieg in Karlsruhe tätigen Künstler - wie Hermann Binz, Christian Elsässer, Wilhelm Gerstel oder Konrad Taucher - hatten ihre Ausbildung bei ihm absolviert. Aus den 1920er-Jahren sind charakteristische Plastiken der Akademieprofessoren Georg Schreyögg und Christoph Voll zu sehen.
Das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Befreiung von den Zwängen der NS-Herrschaft brachte auch den Bildhauern neue, lang ersehnte Freiräume. Im Bereich "Aufbrüche nach 1945" werden einige der damals aktuellen Positionen der Bildhauerei in Westdeutschland exemplarisch vorgestellt. Die Überwindung von körperhafter Geschlossenheit, die Verwendung ungewohnter Materialien und Techniken sowie eine neuartige Raumbezogenheit im Sinne einer Umschreibung von Raum entwickelten sich zu wesentlichen Kriterien des plastischen Gestaltens. Signifikante Beispiele, die trotz aller Abstrahierung die Assoziation an Figürliches bzw. Vegetabiles hervorrufen, werden u. a. mit Exponaten von Hans Uhlmann, Horst Egon Kalinowskis und Bernhard Heiliger vorgestellt.
Plastiken und Zeichnungen von Wilhelm Loth, einem bedeutenden Wegbereiter und Vertreter der Neuen Figuration in Karlsruhe, markieren den Übergang zu den "Köpfen und Figuren" aus dem Zeitraum von Mitte der 1960er-Jahre bis heute. Die Darstellung des Menschen zählt ohne Frage zu den ältesten Sujets der Bildhauerkunst und ist - allen gegenläufigen Strömungen zum Trotz - bis heute ein wichtiges Thema geblieben. Aus der großen Zahl an figurativen Skulpturen aus dem Bestand des Museums werden unterschiedlichste Arbeiten - etwa von Franz Bernhard, Hede Bühl, Alfred Hrdlicka, Fritz Koenig, Kalin Lindena oder Hans Steinbrenner - spannungsreich zueinander in Beziehung gesetzt. In der Zusammenschau zeigt sich aufgrund der nahezu unerschöpflichen Variationsbreite des Figurativen ein vielschichtiges Menschenbild zwischen Realismus, Reduktion und Abstraktion, Fragmentierung und Verfremdung.
Einen Gegenpol hierzu stellen die Bildwerke dar, die unter dem Motto "Konstruktiv - Konkret - Architektonisch" präsentiert werden. Strenge, klare, mitunter zeichenhafte Formgebungen, handwerkliche Perfektion und eine konzentriert-ruhige Ausstrahlung sind nicht nur für die Skulpturen von Max Bill, Hubert Kiecol, Harald Klingelhöller, Günter Neusel oder Werner Pokorny charakteristisch, sie treffen auch auf die Arbeiten von Hiromi Akiyama und einigen seiner ehemaligen Studierenden an der Karlsruher Kunstakademie zu, die ebenfalls in der Sammlung vertreten sind.
Wie das Aufeinandertreffen alltäglicher, banaler Dinge geradewegs zur Inspirationsquelle plastischer Inventionen werden kann, zeigt der anschließende Bereich unter dem Titel "Finden - Sammeln - Verwandeln": Einfallsreich, hintergründig, mit Witz und Ironie stellen hier Künstler wie Meuser, Andreas Slominski, Axel Heil oder Alfonso Hüppi die klassische Vorstellung und Form von Skulptur in Frage. Zufall und Konzept, Ordnung und Unordnung, Strategien des Transfers und der Kontextverschiebung generieren immer wieder neue Metamorphosen der Fundstücke, etwa wenn ein ausgedienter Kinderwagen sich in eine gefährliche Vogelfalle verwandelt oder ramponierte Kartons so aussehen, als wären sie aus zartem Pappmaché und nicht aus schwerem, bemaltem Blei gefertigt.
Im offenen Lichthof begegnen die Ausstellungsbesucher und -besucherinnen den Werken von Maler-Bildhauern, die vorwiegend in den späten 1970er- und 1980er-Jahren entstanden sind. Damals formierte sich mit Georg Baselitz, Jörg Immendorff, Markus Lüpertz, A. R. Penck und anderen eine neue Generation von plastisch arbeitenden Malern, die von akademischen Konventionen unbelastet das dreidimensionale Gestalten für sich entdeckten. Auch Günther Förg und Rosemarie Trockel brachten als ausgesprochene Doppel- und Mehrfachbegabungen eine neue Frische und Freiheit in die Bildhauerei.
Den Abschluss des Rundgangs bildet eine kleine Auswahl von Skulpturen aus dem "Werkstoff Papier". Die Exponate von Martin Jahn, Jutta Schwalbach, Arthur Stoll und Elisabeth Wagner führen eindrucksvoll vor Augen, wie mannigfaltig der künstlerische Umgang mit Papier jenseits der klassischen Nutzung als Trägermaterial für grafische Arbeiten sein kann.
Beteiligte Künstler und Künstlerinnen:
Hiromi Akiyama, Horst Antes, Stephan Balkenhol, Georg Baselitz, Franz Bernhard, Max Bill, Hermann Binz, Reto Boller, Jakob Broder, Hede Bühl, Emil Cimiotti, Michael Croissant, Carl Egler, Christian Elsässer, Johannes Esper, Gina Lee Felber, Gerlinde Fertig, Günther Förg, Thomas Geiger, Wilhelm Gerstel, Günter Haese, Otto Herbert Hajek, Erich Hauser, Axel Heil, Bernhard Heiliger, Alfred Hrdlicka, Alfonso Hüppi, Jörg Immendorff, Martin Jahn, Horst Egon Kalinowski, Hubert Kiecol, Harald Klingelhöller, Michaela Kölmel, Fritz Koenig, Rainer Küchenmeister, David D. Lauer, Kalin Lindena, Wilhelm Loth, Markus Lüpertz, Irmela Maier, Meuser, Han-nelore Neeb, Günter Neusel, Edwin Neyer, A. R. Penck, Werner Pokorny, Michael Sandle, Robert Schad, Bernhard Paul Schäfer, Otto Schliessler, Otto Schneider, Georg Schreyögg, Bernard Schultze, Jutta Schwalbach, Karl Seckinger, Andreas Slominski, Hans Steinbrenner, Eckart Steinhauser, Arthur Stoll, Konrad Taucher, Rosemarie Trockel, Hans Uhlmann, Thomas Virnich, Peter Vogel, Christoph Voll, Hermann Volz, Voré, Elisabeth Wagner, Holger Walter, Franz West, Friedrich Zech u. a.
Skulpturen aus der Sammlung, Städtische Galerie Karlsruhe
Günther Förg, Maske Nr. 11, 1990, Städtische Galerie Karlsruhe, © VG Bild-Kunst, Bonn 2017
Andreas Slominski, Vogelfalle, 2004/2011, Städtische Galerie Karlsruhe
Herrman Binz, Stefanie, um 1905, Städtische Galerie Karlsruhe