Karlsruhe: Städtische Galerie
Friedrich Kallmorgen
19. März bis 26. Juni 2016
Friedrich Kallmorgen zählt zu den führenden Künstlerpersönlichkeiten Deutschlands im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. 1856 in Altona bei Hamburg geboren, fiel seine zeichnerische Begabung bereits als Kind auf und wurde durch privaten Unterricht gefördert. 1875 begann er mit dem Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie, das er zwei Jahre später an der Karlsruher Kunstschule bei Hans Frederik Gude und Gustav Schönleber fortsetzte, um sich zum Landschaftsmaler auszubilden. Bereits in dieser Phase unternahm er ausführliche Studienreisen, die ihn nach Nord- und Süddeutschland führten, aber auch nach Amsterdam und an die holländische Küste - zeitlebens sein wichtigstes Ziel für Freilichtstudien.
Kallmorgens ausgeprägte Reisefreudigkeit sollte bis zu seinem Lebensende anhalten. Immer waren Skizzenblock und Malutensilien dabei, um Inspirationen fremder Orte, Landschaften und atmosphärische Stimmungen, Stadtimpressionen und Szenen aus dem Alltagsleben der Menschen in Zeichnungen und Ölstudien festzuhalten. Sie bildeten den Fundus, aus dem der Künstler - seit Mitte der 1880er Jahre mit stetig wachsender Anerkennung und beachtlichen Ausstellungserfolgen - für seine Atelierbilder und Auftragswerke schöpfen konnte.
1882 heiratete er die Blumen- und Stilllebenmalerin Margarethe Hormuth-Eber, eine Privatschülerin Ferdinand Kellers. Sechs Jahre später erfüllte sich die junge Familie einen lang gehegten Wunsch und erwarb ein Hanggrundstück in Grötzingen, auf dem bis Mai 1889 der Sommersitz "Haus Hohengrund" entstand. Kallmorgen wurde so zum Initiator der Grötzinger Malerkolonie, denn bald siedelten weitere Künstler und Künstlerinnen in das idyllisch gelegene Dorf an der Pfinz über. Darüber hinaus wirkte er seit 1896 als Gründungsmitglied und erster Präsident des sezessionistischen Karlsruher Künstlerbundes, der u. a. die lithografische Produktion ausbaute, um den Künstlern Erwerbsmöglichkeiten und den Bürgern Zugang zu preisgünstigem, aber hochwertigem Wandschmuck zu verschaffen. Friedrich Kallmorgen blieb seiner badischen "Heimat" bis zu seinem Tod eng verbunden, auch als er 1902 einem Ruf als Professor für Landschaftsmalerei in der Nachfolge von Eugen Bracht an der Berliner Kunstakademie folgte. Er hielt sich weiterhin regelmäßig in seinem Grötzinger Sommerhaus auf, auch als er 1918 die Lehrtätigkeit in Berlin beendete und seinen Wohnsitz in Heidelberg nahm. 1924 verstarb Friedrich Kallmorgen in Grötzingen.
In seinem malerischen Werk bevorzugte der Künstler die Verbindung von Genre und Landschaft, eine Kombination, die in allen Schaffensphasen eine signifikante Rolle spielt und in zahlreichen Varianten realisiert wurde. Szenen aus der alltäglichen Arbeitswelt und dem Leben der Bauern auf dem Lande gehören ebenso dazu wie dörfliche Idyllen oder Stadtlandschaften mit Motiven aus Karlsruhe, Berlin und Hamburg. Aufgelöste Konturen in großzügig skizzierender Pinselführung, duftige Tonigkeit und ein pastoser Farbauftrag kennzeichnen seinen aufgelockerten, vom französischen Impressionismus beeinflussten Malstil. Kallmorgens besonderes Gespür für atmosphärische Stimmungen und seine koloristische Begabung hinterließen bereits beim zeitgenössischen Publikum tiefen Eindruck. In der genauen Beobachtung und virtuos wiedergegebenen Wirkung des Lichts im Wechsel der Tages- oder Jahreszeiten und in der unmittelbaren Umsetzung eines Natureindrucks entwickelte er eine wahre Meisterschaft - seien es die warm-goldenen Töne eines Laubwaldes im Herbst, das frische, saftige Grün der Natur im Frühling, die funkelnden Reflexe der Sonnenstrahlen auf dem Schnee an einem klaren Wintertag, der graue Dunst über der Elbe oder das kühl-fahle Dämmerlicht an einem anbrechenden regnerischen Morgen.
Obwohl Friedrich Kallmorgen längst einen herausragenden Platz in der Kunstlandschaft des deutschen Südwestens einnimmt, fand die letzte große Einzelausstellung zum malerischen Werk in Karlsruhe noch zu Lebzeiten des Künstlers 1922 im Badischen Kunstverein statt. Erstmals wird nun sein Werdegang mit etwa 220 Exponaten aus allen Schaffensphasen und mit dem Schwerpunkt auf seiner Malerei vorgestellt. Sie stammen zu einem großen Teil aus der Sammlung Kaletta, ergänzt durch weitere Leihgaben aus privatem und öffentlichem Besitz.
Der Rundgang durch die im Erdgeschoss und im zweiten Obergeschoss des Museums eingerichtete Ausstellung führt durch acht Abteilungen, in denen das Frühwerk, die Holland-Motive, die Jahre in Karlsruhe und Grötzingen, die faszinierend vielgestaltigen Reiseinspirationen, die Hamburg-Bilder sowie druckgrafische Arbeiten des Künstlers thematisiert werden.
Außerdem ermöglicht die Schau spannende Begegnungen mit Werken von Margarethe Hormuth-Kallmorgen. Durch den Verkauf ihrer Gemälde und den Unterricht, den sie seit 1884 mehreren privaten Malschülerinnen erteilte, trug die 1857 in Heidelberg geborene Künstlerin - in bürgerlichen Kreisen damals keineswegs üblich - zum Lebensunterhalt der Familie bei. 1898 wurde sie in den Vorstand des Karlsruher Malerinnenvereins berufen und von 1900 bis zum Umzug nach Berlin hatte sie einen Lehrauftrag für Blumen- und Stilllebenmalerei an der weit überregional renommierten Malerinnenschule in Karlsruhe inne.
Friedrich Kallmorgen, Winterabend, 1898, Sammlung Rolf Kaletta, Hannover/Hamburg, Foto: Heinz Pelz
Friedrich Kallmorgen, Sonne hinter Wolken, 1911, Sammlung Rolf Kaletta, Hannover/Hamburg, Foto: Heinz Pelz
Friedrich Kallmorgen, Holländische Fischerkinder, 1908, Sammlung Rolf Kaletta, Hannover/Hamburg, Foto: Heinz Pelz
Friedrich Kallmorgen, Der Erzähler, 1892, Sammlung Rolf Kaletta, Hannover/Hamburg, Foto: Heinz Pelz
Friedrich Kallmorgen, Der Brief aus Amerika, um 1892, Sammlung Rolf Kaletta, Hannover/Hamburg, Foto: Heinz Pelz
Friedrich Kallmorgen, Der Taufgang,1887, Sammlung Rolf Kaletta, Hannover/Hamburg, Foto: Heinz Pelz